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Digital oder nicht? Wie sich Nachwuchsförderung durch Corona verändern könnte

Für Kinder- und Jugendliche sind Bewegung, Lernen und auch das Spielen in der Gruppe elementar. Nach Schule oder Kita gehen viele einem Hobby nach. Corona hat das in den vergangenen Monaten extrem erschwert. Akteure der Kinder- und Jugendförderung sind trotz Pandemie aktiv und spinnen erste Ideen für die Zukunft.

Sie springen über Kisten, kriechen durch Tunnel, balancieren auf Balken: Den Parcours mögen alle Kinder. Wie Björn Lehnert von der Zwickauer Kindersportschule „Zwiks“ erklärt, bauen er und seine Kolleg*innen daher in fast alle Übungseinheiten eine solche Hürdenlandschaft ein. Vorgaben gibt es dabei nicht, Teilnehmende können selbst kreativ werden. Etwa 600 Kinder, vor allem im Kindergarten-, Vorschul- und Grundschulalter, setzen Björn Lehnert und sein Team in ihren Kursen in Bewegung. „Ich habe schon im Studium eine kleine Kindersportgruppe betreut, die mir sehr viel Spaß machte“, erzählt Lehnert. Eine seiner Dozentinnen an der TU Chemnitz war Katrin Adler, die die Kindersportschule Chemnitz, kurz KISS, gegründet hatte.

Nach seiner Ausbildung wollte Lehnert das Konzept auch nach Westsachsen bringen. 2008 startete er in der Schumann-Stadt die Kindersportschule „Zwiks“. Dort ist seine Kindersportschule seit einigen Jahren dem Akademikersportverein angegliedert, der die Trägerschaft übernommen hat. Zum Konzept von „Zwiks“ gehört es, lange Anfahrtswege für Eltern zu vermeiden. „Wir haben überall im Stadtgebiet kleine Turnhallen angemietet, in denen wir unsere Kurse anbieten“, so Lehnert. Eltern können online schauen, wann und wo es ihnen am besten passt, und ihre Kinder an den nächstgelegenen Ort bringen. Zudem bietet die Kindersportschule Kurse in Kindertagesstätten an. Die werden direkt in den Einrichtungen durchgeführt.

Das Konzept kommt an, mittlerweile werden auch Kinder in Plauen und im Erzgebirge von den Zwiks-Trainer*innen spielerisch zu Sport und Bewegung animiert. „Wir stellen Kindern verschiedene Sportarten vor, in denen sie sich ausprobieren können“, so Lehnert. Gerade jüngere Kinder haben seiner Erfahrung nach noch große Lust am Experimentieren. Wenn sich eines als besonders begeistert oder begabt erweist, geben Lehnert und sein Team Hinweise an die Eltern und vermitteln an andere Vereine. Dann kam Corona und mit ihr Kontaktbeschränkungen, Schutzverordnungen und Ausgangssperren, die die Kindersportschule phasenweise nahezu stilllegten.

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HAUPTSACHE BEWEGUNG, NOTFALLS ZUHAUSE

„Es gab Zeiten, in denen wir den Kindern außer einigen Videos fast nichts anbieten konnten“, erzählt Lehnert. Er machte aus der Not eine Tugend, legte einen Youtube-Kanal an und drehte kleine Lehrvideos für Sportübungen mit Kindern in den eigenen vier Wänden. So zeigt er etwa, wie sich Sport mit Plüschtieren und anderen Materialien gestalten lässt. „Ich habe das Glück, selbst einen vierjährigen Sohn zu haben, mit dem ich alle Übungen ausprobieren konnte“, so Lehnert. Er habe auf seine Videos viel positives Feedback erhalten. Setzt nun aber dennoch auf ein schnelles Ende der Pandemie-Bedingungen.

Derzeit überlegen er und seine Kollegen, wie es weitergehen kann, was sich nachhaltig durch die Coronazeit geändert hat. Wenn der Kreissportbund, wie Lehnert sagt, auch künftig eine Einbindung digitaler Kanäle für möglich hält, etwa in Kursen, so ist der Sportlehrer doch eher skeptisch. Gleichzeitig bemerke er einen Wandelim Umgang mit Bewegung. Es müsse ja nicht immer der Leistungs- und Vereinsport sein, Online-Tutorials würden Sinn machen, wenn Menschen sich nur zum Spaß bewegen und fit halten wollen. Generell wolle er aber gerade Kinder eher vom Rechner wegholen, „dort verbringen sie sowieso schon viel zu viel Zeit“, sagt Björn Lehnert. Schließlich sei Sport im Kindesalter ganz elementar für die sensorische und motorische Entwicklung – und da gäbe es durch die Pandemie große Unterschiede. Die Folgen seien derzeit noch nicht absehbar: „Ich mache mir wirklich Sorgen. Wir werden das ganze Ausmaß erst ein Jahr nach der Pandemie erfahren.“

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THEATERFÖRDERUNG WIRD DIGITALER

Auch Denise von Schönangerer fragt sich, wie es nach Corona weitergeht. Normalerweise betreut die Theaterpädagogin mit einer Kollegin für die Theater Chemnitz Kinder und Jugendliche in diversen Workshops und Projekten, begleitet sie bei Aufführungen und bietet dort Vor- und Nachbereitungen zu den Inszenierungen an. Zudem leitet sie den Chemnitzer TheaterJugendClub. Während der Pandemie wurden jedoch Aufführungen abgesagt, die Theater geschlossen und auch der Jugendclub konnte sich nicht mehr treffen.

Nach einer kurzen Phase des Sammelns hat die Theaterpädagogin mittlerweile viele ihrer Angebote digitalisieren und wieder aufnehmen können. So findet das Stück „Wandertag im Weltraum“, eine Produktion des Figurentheaters in Kooperation mit dem Verein ASA-FF, komplett digital statt – per Videokonferenz. Per Mikrofon und Chatfunktion können sich die Zuschauer*innen äußern und so mit den Spieler*innen interagieren. Wie Denise von Schönangerer sagt, wolle man das Stück auch losgelöst vom Klassenzimmer künftig für Kinder und Jugendliche anbieten, und weitere Formate seien in Arbeit.

Auch Workshops lassen sich laut von Schönangerer bis zu einem gewissen Grad ins Internet verlagern, das habe sogar Vorteile. „In den Osterferien habe ich einen Theaterworkshop für Jugendliche aus der Region angeboten“, erzählt sie. Teilgenommen hätten zwölf Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren. Der Vorteil des Formats: Es konnten auch Jugendliche teilnehmen, die sonst für einen solchen Workshop vielleicht zu schüchtern gewesen wären. Auch das Vertrauen in der Gruppe untereinander habe sich überraschend schnell aufbauen lassen.

Als-wir-entdeckten...Theaterjugendclub_PR02__c_Nasser_Hashemi    v.l. Franz Kemter, Phillipp Laue, Elia Göckeritz, Frieder Melzer (Mitglieder des TJC)_CMYK.jpg

„Sie kannten sich ja alle vorher nicht“, sagt die Theaterpädagogin – und doch hätten mehrere Kursteilnehmende nach dem Workshop gesagt, dass sie in Kontakt bleiben wollen. Für Improvisationsübungen habe man die Kamera angeschaltet. „Wir haben sogar gemeinsam vor der Kamera getanzt“, so von Schönangerer. Sie kann sich vorstellen, auch künftig digitale Workshops anzubieten. So könne man auch Kinder und Jugendliche außerhalb von Chemnitz ansprechen und ein niedrigschwelliges Angebot für Theatereinsteiger*innen schaffen.

Auch der TheaterJugendClub konnte sich nach einigen Monaten Pause seit Januar wieder regelmäßig „treffen“ – wenn auch im Internet. „Wir haben im letzten Jahr keine neuen Mitglieder in die Gruppe genommen. Es kennen sich also alle“, erklärt von Schönangerer. Das erleichtere den Online-Arbeitsprozess. Viele der Jugendlichen seien froh, wieder in der Gruppe in wöchentlichen Videokonferenzen kommunizieren zu können. Auch, weil der digitale Unterricht für die Jugendlichen sehr belastend sei. „Wir haben in den letzten Wochen erst mal experimentiert, was man digital so alles machen kann. Bald wollen wir aber auch ein Projekt gemeinsam auf die Beine stellen“, erklärt die Jugendclub- Leiterin.

Nach Corona will sie den Jugendclub dann neu aufstellen und vor allem auch neue Mitglieder aufnehmen, da viele der aktuellen sich schon im Studium befänden. Zudem hofft sie, dass die Lücke, die durch die Pandemie in Sachen kultureller Entwicklung entstanden ist, wieder geschlossen werden kann. „Es ist ein großes Trauma, was wir alle aufarbeiten müssen. Kunst eröffnet dafür viele Möglichkeiten“, sagt Denise von Schönangerer. Sie kann sich gut vorstellen, auch künftig, digitale Medien weiter in ihre Arbeit einzubinden. „Das entspricht einfach der Lebensrealität der heutigen Kinder und Jugendlichen“, sagt sie – Corona habe diesen Trend noch verstärkt.

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AGS, NACHHILFE UND BASKETBALL – AUCH IM INTERNET

Während sich viele der verschiedenen Sparten der Kinder- und Jugendförderung im vergangenen Jahr in kleinen oder größeren Schritten ins Internet vortasten mussten, konnte ein junges Chemnitzer Unternehmen sofort durchstarten – die Plattform Kiwies. Kiwies ist ein Chemnitzer Unternehmen, das Ganztagsangebote an Schulen vermittelt. „Wir machen Bildungsangebote und verbinden diese mit digitalen Lösungen“, erklärt Francesca Hermani, Leiterin der Produktentwicklung des Unternehmens. „Ganztagsangebote sind zwar eine Säule des Sächsischen Schulsystems, stellen die Schulen jedoch im Alltag vor enorme Herausforderungen. Lehrermangel und Krankenstand führen schon zu Ausfallstunden im regulären Unterricht, Zusatzangebote sind so kaum zu stellen.

An diesem Punkt setzen wir an“, erklärt Hermani. Vorstellen lässt sich die Plattform des Unternehmens wie eine Art Partnervermittlung. Sowohl Schulen als auch Menschen, die gerne Kurse anbieten wollen, können sich dort anmelden. Kiwies prüft die Angebote auf Herz und Nieren, lässt sich Eignungsnachweise und ein Führungszeugnis vorlegen. 358 Schulen sind derzeit bei Kiwies registriert sowie 1243 Kursleiter*innen. „Ein Großteil der registrierten Schulen liegt in Sachsen, aber es sind auch welche aus anderen neuen Bundesländern dabei“, sagt Francesca Hermani. Das Unternehmen vermittelt dann zwischen Schulen und Kursleitern. Oft suchen sich Schulen Kurse aus, die in ihr Profil passen. Wie Francesca Hermani sagt, seien Schach-AGs besonders beliebt, angeboten werde aber durch die Bank thematisch alles, von Handarbeit, über Sport bis hin zu Wissensthemen – auch Theaterkurse.

Vor der Pandemie besuchten die Kursleiter häufig Schulen direkt, als diese geschlossen waren, wurden viele Angebote ins Internet verlagert. Das funktioniere gut, sogar einen digitalen Basketballkurs habe es schon gegeben, so Hermani. Derzeit vermittelt Kiwies zum Angebot für Schulklassen auch private Nachhilfe – auch für Kleingruppen. All das sei auch nach Ende der Pandemie weiter denkbar.

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