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#FRISCHAUF Damit es grüner wird

Wie Veranstaltungen nachhaltiger werden

Bei manch einer Veranstaltung ist der Salat auf dem Buffet das einzige Grüne. Immer mehr Akteuren der Branche reicht das nicht. Sie ändern ihre Arbeitsweise zugunsten der Nachhaltigkeit.

Der Tradition des Namensvaters folgen

Grün leuchtet von oben herab, dicke Moospolster liegen den Gästen zu Füßen. Doch das Moos wächst nicht im Wald, das Grün von oben stammt nicht von Baumkronen. Es gehört zur Gestaltung des Eingangsfoyers des Carlowitz Congresscenters Chemnitz. Bereits hier wird durch die Farbgebung der Raumdecke und die Pflanzung unter dem Boden um Treppe und Aufzug der Bezug zum Namenspatronen des Congresscenters spürbar.

Der 1645 in Oberrabenstein geborene Hans Carl von Carlowitz war erzgebirgischer Oberberghauptmann sowie königlich-polnischer und kurfürstlich-sächsischer Kammer- und Bergrat. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Holzversorgung für das sächsische Berg- und Hüttenwesen sicher zu stellen, eine echte Herausforderung inmitten einer europäischen Holzkrise: Für die Versorgung der Hütten und Gruben mit Bau- und Heizmaterial sowie das Wachstum der Siedlungen wurden große Mengen benötigt, Raubbau an Wäldern war die Folge. Von Carlowitz erkannte, dass die Wälder bei der vorherrschenden Bewirtschaftung keine Zeit hatten nachzuwachsen, und sah die Gefahr, dass die Bergbauten und Hütten nicht mehr arbeiten könnten, wenn der Holznachschub versiegen würde. Diese ökonomische Überlegung, aber auch der ethische und ästhetische Wert des Waldes motivierten Carl von Carlowitz dazu, eine Forstwirtschaft einzufordern, die „eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung“ ermöglicht.

Heute gilt er als Erfinder des Begriffs der Nachhaltigkeit. Das ursprünglich forstwirtschaftliche Prinzip – dem Wald nur so viel Holz zu entnehmen, wie nachwachsen kann – wurde längst auf andere Lebensbereiche angewendet. Viele Rohstoffe sind auch heute knapp: unter anderem Mineralöl, die für zahlreiche digitale Geräte benötigten Metalle der seltenen Erden, nach wie vor Holz, in vielen Weltregionen Wasser. Nicht mehr Ressourcen zu verbrauchen als nachwachsen oder regenerieren können, lautet deshalb seit Jahrzehnten die Vorstellung von Nachhaltigkeit. Mit zunehmender Zuspitzung der Klimakrise geriet zudem auch der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 in den Fokus. Immer mehr Menschen verfolgen – als Privatpersonen und in ihren Unternehmen – unter dem Begriff Nachhaltigkeit deshalb das Ziel, dem Klima und der Natur, sogar der Erde als Ganzes nicht mehr abzuverlangen, als sich kompensieren lässt.

„Auch wenn das Werk von Hans Carl von Carlowitz in der Forstwirtschaft schon über 300 Jahre alt ist, so ist es ein Thema, das aktuell die ganze Welt“, sagt Ralf Schulze, Geschäftsführer der C3 Chemnitzer Veranstaltungszentren, der Betreibergesellschaft unter anderem der Chemnitzer Messe, Stadthalle und des Carlowitz Congresscenters. Den Name für das 2020 an der Stadthalle eröffnete Carlowitz Congresscenter hat die C3 bewusst gewählt, um sich nachhaltigen Veranstaltungen zu verpflichten. Das begann schon beim Bau: Statt ein neues Gebäude zu errichten, wurde am Komplex der Stadthalle um- und angebaut. Dabei wurden Materialien wie etwa Porphyr, Furnier, Bodenbelag und Geländer wiederverwendet. Zwischen 2016 und 2020 entstand im gesamten Gebäudekomplex eine neue Lüftungsanlage, die ein Fünftel weniger Energie verbraucht als ihre Vorgängerin. Bis Ende April soll der Vorplatz acht Fahrradabstellboxen erhalten, bis Ende des Frühjahrs außerdem sechs Ladesäulen für Elektroautos. Während der Veranstaltungen sollen regionale, fair gehandelte und saisonale Speisen und Getränke serviert werden, so die C3.

Meist unbemerkt erledigen rund 120.000 Bienen ihre Arbeit, die aus vier Völkern stammen, die mithilfe der Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit des André-Gymnasiums und des Imkervereins Chemnitz 1874 auf dem Carlowitz Congresscenter gehalten werden. Damit soll ein Beitrag zum Schutz des bedrohten Insekts geleistet werden, so die C3. Die Grünflächen der Chemnitzer Innenstadt mit ihren Bäumen, Sträuchern und Hecken bieten nach Einschätzung der Gesellschaft den Bienen reichlich Nahrung.

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Auch im Programm des Carlowitz Congresscenters sollen sich regelmäßig Veranstaltungen zu Nachhaltigkeit finden. Für den 5. November und den 6. Dezember ist zum Beispiel „Denk weiter“ geplant, ein Kongressfestival mit kostenlosem Eintritt. Für seine Bemühungen um Nachhaltigkeit erhielt das Carlowitz Congresscenter im vergangenen Jahr das Zertifikat Green Globe, mit dem Reise- und Tourismusunternehmen für herausragende Leistungen bei Umweltfreundlichkeit, sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Rentabilität ausgezeichnet werden. Um das Siegel zu behalten, muss das Congresscenter jährlich Verbesserungen nachweisen.

Ein Festival will weniger Ballast verursachen

Während das Carlowitz Congresscenter noch auf seine Leihfahrräder wartet, sind Fahrräder seit jeher die Protagonisten des Heavy24. Dennoch ist das seit 2006 einmal im Jahr in Rabenstein stattfindende Mountainbike-24-Stunden-Rennen nicht so nachhaltig, wie die Geschäftsinhaber André Gläß und Alexander Liebers sich das wünschen würden: Die jährlich entstehende Menge von 2,5 Tonnen Müll erschreckt die beiden, bei der Stromversorgung der 4 1/2 Hektar großen Fläche am und im Rabensteiner Wald lassen sich Dieselaggregate nicht völlig vermeiden. Das geht trotzdem besser, glauben die Rennmacher, wie sich das Heavy24-Team nennt.

Gemeinsam mit dem neuen Namenssponsor, dem Energieversorger eins energie in Sachsen, wollen die Rennmacher nach und nach Maßnahmen umsetzen, um das Rennen umweltfreundlicher zu gestalten. Einer der ersten Schritte war eine große Reinigungsaktion im Rabensteiner Wald, bei der vergangenen Oktober das Team und 25 Freiwillige autoanhängerweise Müll sammelten. Solche und ähnliche Aktionen wollen die Rennmacher jetzt zweimal im Jahr durchführen. Im April will das Team das nächste Mal in Rabenstein Müll sammeln, ein genaues Datum stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest.

Schon ab dem diesjährigen Heavy 24 wird eins energie den unvermeidlichen CO2-Ausstoß ausgleichen: Das Energieunternehmen wird die gleiche Anzahl Kilowattstunden grünen Strom ins Netz einspeisen, wie die Dieselaggregate beim Rennen in Rabenstein erzeugen. Vermeidbare Generatoren sollen nach und nach abgeschafft werden und durch grüne Lösungen ersetzt. In Zukunft – voraussichtlich ab 2022 – planen die Rennmacher, pro Teilnehmer einen Euro an die Stiftung Wald zu spenden, damit diese damit Bäume pflanzen kann.

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Derzeit laufen noch Gespräche mit einem Hersteller nachhaltiger Fahrradpflegeprodukte. Zudem verhandeln die Rennmacher mit ihrem Caterer und dem Getränkezulieferer darüber, wie sich in diesem Bereich Müll oder zumindest Plastik reduzieren lässt. „Auf den ersten Blick sind es viele kleine Bausteine. Aber es ist ja bei jedem ‚nur der eine Plastikbecher‘“, sagt Alexander Liebers. Derzeit sind für das Rennen am 26. Juni 2021 mehr als 1000 Teilnehmende angemeldet. Mindestens 1000 Mal wird also „nur der eine Becher“ benutzt und weggeschmissen. Wäre es ein Gewinn, die Plastikbecher durch solche aus Pappe zu ersetzen?

„Es ist ein sehr mühsamer Weg, den wir bereit sind zu gehen“, sagt Alexander Liebers. So hoffen die Rennmacher, auch bei anderen Rennveranstaltern Änderungen zugunsten der Nachhaltigkeiten anzustoßen.

Ein Caterer wagt Neues

Sind da etwa Falafel und Hummus auf dem Buffet, von dem das monk-Catering sagte, es sei regional und saisonal? Wie kann das sein? Torsten Weiße-Köhler, einer der beiden Geschäftsführer des monk-Caterings, kann es erklären: „Die Falafel sind aus heimischen Linsen und der Hummus aus weißen Bohnen.“ Damit passen auch diese orientalischen Spezialitäten in das Konzept der Stadtküche Chemnitz, also dem Zweig des Veranstaltungscaterings beim monk-Catering. Seit 2018 versuchen Weiße-Köhler und sein Mitgeschäftsführer Bill Scholz, bei der Schul- und Kitaspeisung sowie beim Veranstaltungscatering Schritt für Schritt immer nachhaltiger zu arbeiten. In jenem Jahr bezogen sie ihr erstes Fleisch aus artgerechter, regionaler Haltung. Inzwischen bekommen sie zum Beispiel ihren Fisch aus Adorf, Huhn aus Meerane, verwenden nur noch biologisch abbaubares Reinigungsmittel – wo immer dies möglich ist, denn beispielsweise Desinfektionsmittel kann nicht biologisch abbaubar sein.

„Ich habe selbst drei Kinder. Sie sagen mit recht, dass sie auch in Zukunft in einer lebenswerten Welt leben wollen."

Torsten Weiße-Köhler, monk Catering

Torsten Weiße-Köhler, Monk Catering, Foto_Julia Keller.JPG

In der Covid-19-Pandemie fallen nun fast alle Veranstaltungen aus – und somit auch die Aufträge für die Stadtküche. Torsten Weiße-Köhler und Bill Scholz nahmen dies zum Anlass, das monk zu renovieren – und viel nachzudenken. Vor allem darüber, wie es nach der Pandemie weitergehen soll. Dürreprognosen kamen ihnen dabei in den Sinn, Klimamodelle. „Ich habe selbst drei Kinder. Sie sagen mit Recht, dass sie auch in Zukunft in einer lebenswerten Welt leben wollen.“, so Torsten Weiße- Köhler. Er und Bill Scholz tauschten sich mit anderen aus und stellten fest, dass auch andere Unternehmen jetzt darüber nachdenken, wie sie nachhaltiger, umweltfreundlicher arbeiten können.

Nach Torsten Weiße-Köhlers Einschätzung hatten viele diese Themen im Alltagstrott vor sich her geschoben. „Wir waren viel zu gedankenlos“, sagt er über das monk-Catering. Das Team arbeitete regelmäßig mit Waren aus aller Welt – und das war leicht, denn es gab sie zu einem erschwinglichen Preis. Durch Corona wurde Scholz und Weiße-Köhler bewusst, dass ihre Arbeit nicht immer auf die gleiche Weise weitergehen muss, sie kamen zu dem Schluss, dass sie es nicht darf: „Irgendwann müssen wir mal anfangen.“

Zunächst setzten sie sich Standards, die sie bei der Stadtküche einhalten wollen. Dazu gehören Fair Trade bei Tee und Kaffee, sonstige Getränke nach Möglichkeit regional – und ein regionaler, saisonaler Speisenkatalog. Um letzteren umzusetzen, bezahlt das Unternehmen für ein Feld, das auf dem Hof zur bunten Kuh in Frankenberg für das monk-Catering bewirtschaftet wird. Von hier kommen künftig Kräuter und Gemüse. Auch zu anderen regionalen Zulieferern von Lebensmitteln knüpften sie Kontakte.

Wie das neue Konzept bei der Kundschaft ankommen wird, muss sich in Zukunft zeigen. Weiße-Köhler glaubt, dass er und Scholz ein Wagnis eingehen. Durchaus sei in der Vergangenheit gelegentlich der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit an sie herangetragen worden, doch ein saisonales Menü für eine Veranstaltung zusammenzustellen, funktioniert anders als bisher. Sind die Feiergesellschaften bereit, auf Ananas und Avocado auf dem Buffet zu verzichten? Und um für größere Gesellschaften genug Fleisch aus der Region zur Verfügung zu haben, muss deutlich langfristiger geplant werden – unter Umständen ist für eine Veranstaltung im September die Bestellung im Februar fällig. Die Stadtküche will zudem ihre Zutaten so vollständig wie möglich verwerten. Werden Kundinnen, die sich Rinderfilet wünschen, auch Sülze oder eine Terrine ins Menü aufnehmen? Wie viele Kunden werden sich von vegetarischen Alternativen überzeugen lassen?

Noch trauen sich nur wenige, für dieses Jahr eine Veranstaltung zu planen, entsprechend leer ist das Auftragsbuch der Stadtküche, so Torsten Weiße-Köhler. Doch er hofft, dass die Kundschaft seine Einstellung teilt: „Wir können nur so viel nehmen, wie wir zurückführen können.“ Wie es bereits Hans Carl von Carlowitz erkannte.