Die aktuellen Energiepreise sorgen in allen Teilen der Wirtschaft für Aufregung. Überall werden Einsparpotenziale gesucht, zugleich hat die Bundesregierung zwei Einsparverordnungen erlassen, wie kurzfristig seit 1. September sowie mittelfristig ab 1. Oktober Energie gespart werden soll. CHEMNITZ INSIDE hat aktuelle Stimmen, Vorschläge und Regelungen in einem Branchenstreifzug zusammengefasst.
Industrie
Dieter Pfortner, Präsident der Industrie- und Handelskammer Chemnitz, warnt „vor einem wirtschaftlichen Totalschaden“, wenn es der Bundesregierung nicht gelinge, die Energiepreise herunterzufahren oder zu deckeln. In einer Pressekonferenz Ende August erklärte beispielsweise Max Jankowsky, Geschäftsführer der Gießerei Lößnitz, er benötige etwa 17 Millionen Kilowattstunden Energie jährlich. Die Gießerei gilt bereits als CO2-neutral – die Strompreise würden sich dennoch perspektivisch verzehnfachen. Bei seinen Kunden verzeichne er bereits erste Insolvenzen.
Auch Dirk Vogel, Manager des Netzwerks der Automobilzulieferer in Sachsen (AMZ), warnt vor steigenden Energiepreisen – es drohten Schließungen und Abwanderungen ins Ausland, etwa von Gießereien und Schmieden. Der Staat, so Vogel, verfüge über Hebel, die Betriebe zu entlasten: etwa durch die Reduzierung von Steuern bei Kraftstoffen, die aktuell mit dem Preis pro Liter gleichzeitig mit ansteigen, oder mögliche Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke.
Kurzfristige Maßnahmen werden von der Industrie in den Energieeinsparverordnungen des Bundes nicht gefordert. Mittelfristig müssen Unternehmen mit einem Energieverbrauch ab zehn Gigawattstunden pro Jahr verpflichtend wirtschaftliche Effizienzmaßnahmen zur Reduzierung ihres Verbrauchs durchführen und sich diesen „durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren bestätigen“ lassen. Die entsprechende Verordnung tritt am 1. Oktober in Kraft.
Handel
Für den Einzelhandel sehen die Energieeinsparverordnungen bis zunächst 28. Februar 2023 erst einmal nur leichte Modifikationen vor. Dazu gehören das Schließen der Ladentüren und Eingangssysteme während des Geschäftsbetriebs, um nicht über offene Türen die Umgebung mitzuheizen. Darüber hinaus besteht eine Nutzungsbeschränkung für Leuchtwerbung – zwischen 22 Uhr und 16 Uhr muss diese ausgeschaltet sein. Der Handelsverband Sachsen weist darauf hin, dass Schaufensterbeleuchtung nach Ansicht des Bundeswirschaftsministeriums nicht als beleuchtete Werbeanlage gilt. „Sie ist demnach nicht von dem Verbot betroffen“.
Gastronomie und Hotellerie
Der Branchenverband DEHOGA Sachsen blickt – gemeinsam mit den Verbandsspitzen der anderen ostdeutschen Bundesländer bei der gemeinsamen Jahrestagung – „höchst alarmiert und sorgenvoll in das Winterhalbjahr“. Schon jetzt seien die Meldungen aus den Mitgliedsbetrieben in Bezug auf Kostensteigerungen bei der Energiebeschaffung „dramatisch“. Viele Unternehmen hätten skizziert, „in diesem Winter oder gar für immer schließen zu wollen bzw. zu müssen. Die Kostensteigerungen sind in der Höhe nicht mehr aufzufangen oder gar als Preis am Markt durchsetzbar“, so die ostdeutschen DEHOGA-Verbände. Um Einsparpotenziale im
Hotel- und Gastgewerbe aufzuzeigen, hat der DEHOGA-Bundesverband eine eigene Energiekampagne gestartet. In einem „Umweltcheck“ kann man seine eigenen Verbräuche für Energie, Wasser, aber auch beim Lebensmittelkauf branchenintern vergleichen. Hinzu kommen zahlreiche Checklisten sowie eine Videoserie mit Praxistipps, bisher etwa zum Einsatz von Elektromobilität im Gastgewerbe, zum schonenden Einsatz von Wasser oder zu Wärmerückgewinnung aus Kühlanlagen.
Bau- und Ausbaugewerbe
Das Bau- und Ausbaugewerbe wird tendenziell eher ein Gewinner der aktuellen Krise. „Neue Fenster einzubauen, Fassaden zu dämmen und Dächer neu einzudecken – all das spare langfristig viel Geld“, weist Andreas Herrmann, Bezirksvorsitzender der IG BAU Südwestsachsen, Ende August in einer Pressemitteilung hin. Es sei deshalb ein wichtiges Signal, wenn insbesondere öffentliche Gebäude in Chemnitz „nicht zu den Schlusslichtern in puncto Energiebilanz zählen“ würden. Derzeit gehörten viele Verwaltungsgebäude oder Sportstätten „oft zu den schlechtesten Effizienzklassen. Das bedeutet, dass sie jährlich mehr als 200 Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter verbrauchen“. Entsprechend seien Investitionen des Staates auf allen Ebenen erforderlich. Dass mit Investitionen in den Klimaschutz auch Arbeitsplätze erhalten bleiben, dürfte ein angenehmer, jedoch unerwähnter Nebeneffekt für die IG Bau sein. Wenn sich denn genügend Mitarbeiter*innen finden, um gewünschte Effizienzmaßnahmen auch umzusetzen…
Wohnungswirtschaft
Eigentümer*innen von Wohngebäuden werden mit den Energieeinsparverordnungen verpflichtet, ihre Mieter*innen über deren Energieverbrauch, Kosten, steigende Energiepreise und mögliche Einsparpotenziale zu informieren. Gleiches gilt auch für Energieversorger. Auch Mieter*innen sind aufgefordert, durch Absenkung von Raumtemperaturen zum Energiesparen beizutragen – in Mietverträge aufgenommene Klauseln über Mindesttemperaturen werden vorübergehend ausgesetzt. Die GGG, Chemnitz‘ größte Vermietungsgesellschaft, gibt beispielsweise Energiespartipps auf ihrer Webseite, zu denen auch das Herunterdrehen der Heizung gehört – und weist in diesem Zuge darauf hin, dass Mieter*innen mindestens so viel Heizen und Lüften müssen, dass es nicht zu Schimmelbildung kommt. Außerdem: Private Pools dürfen vorerst nicht mehr mit Gas, Öl oder Strom aus dem normalen Stromnetz beheizt werden.
Mittelfristig besteht für Eigentümer*innen die Pflicht zur Heizungsprüfung und Optimierung. Werden Gebäude mit Gasheizungen betrieben, müssen innerhalb von zwei Jahren Heizungschecks durchgeführt werden. Bei Gebäuden mit zentraler Wärmeversorgung besteht die Pflicht, einen hydraulischen Abgleich durchzuführen.
Behörden, Büros und Arbeitsräume
In „öffentlichen Nichtwohngebäuden“ dürfen Gemeinschaftsflächen – etwa Foyers – nicht mehr beheizt werden, es sei denn, dort installierte Technik oder gelagerte Stoffe könnten beschädigt werden. In Arbeitsräumen und Büros wird die erlaubte Höchsttemperatur beschränkt. Wer überwiegend leicht und sitzend arbeitet, hat Anspruch auf maximal 19 Grad Raumtemperatur, wer körperlich schwere Tätigkeiten vollführt, kann auf maximal 12 Grad hoffen. Außerdem muss man sich künftig in besagten „öffentlichen Nichtwohngebäuden“ mit kaltem Wasser die Hände waschen. Achtung: In Unternehmen gelten die oben genannten behördlichen Höchsttemperaturen jetzt als neue Mindesttemperaturen, die unter arbeitsschutzrechtlichen Aspekten einzuhalten sind. vtz
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