Weniger fossile Brennstoffe, weniger Staub, weniger Schadstoffausstoß – darüber scheint Einigkeit unter den Experten zu bestehen, wenn es um die Mobilität der Zukunft geht. Dass wir uns künftig häufiger transportieren lassen als selbst zu fahren oder dass wir in integrierten Mobilitätsketten flexibler zwischen den Verkehrsmitteln wechseln werden, wird zwar vorausgesagt, scheint aber schon weniger fest ausgemacht. Mit welchen Antriebskonzepten wir uns künftig fortbewegen, diese Frage ist gar geeignet, Glaubenskriege (naja, sagen wir: sehr heftige Diskussionen) auszulösen. Voraussagen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Beruhigend hingegen: An allen möglichen Entwicklungen wird gearbeitet, auch hier in der Region. CHEMNITZ INSIDE zeigt Beispiele, wo und wie.
Fahren mit Wasserstoff
Ob wir uns in Zukunft alle nur noch mithilfe von Elektroenergie fortbewegen? Darüber besteht durchaus noch Zweifel. Jedenfalls setzt die Bundesregierung auch auf die Brennstoffzelle – und will dazu ein „Technologie- und Innovationszentrum Wasserstofftechnologie“ aufbauen. Bundesminister Andreas Scheuer: „Wir suchen nach geeigneten Standorten für die Wasserstofftechnologie. Ein Anwendungszentrum soll sich auf die gesamte Wertschöpfungskette der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie im Mobilitätsbereich konzentrieren.“ Seit Ende 2020 läuft der Wettbewerb. Auch Chemnitz bewirbt sich mit dem Konsortium „HIC – Hydrogen and Mobility Innovation Center“. Dazu haben sich im Sächsischen Innovationscluster HZwo die TU Chemnitz, die TU Dresden, die regional angesiedelten Fraunhofer-Institute, BMW in Leipzig, Siemens, Voith, der Automobilzulieferer Vitesco Technologies sowie eine Reihe von mittelständischen Unternehmen zusammengeschlossen. „Das HIC würde die bestehenden Strukturen mit einem hochmodernen Fahrzeuglabor, einem umfangreichen Wasserstoff-Zertifizierungszentrum, Prüfständen für Brennstoffzellen sowie einem Fortbildungszentrum auf internationalem Niveau festigen. Insbesondere Mittelständler werden dort neue Produkte entwickeln und zertifizieren können, um vom Zukunftsmarkt Wasserstoff zu profitieren“, skizziert das Konsortium Voraussetzungen und Ziele. „Mit unserer Konzentration auf Schienen- und Straßenfahrzeuge bieten wir ein klares Profil“, sagt Netzwerkmanager Karl Lötsch. Im April soll entschieden werden, für welche drei der 15 im Wettbewerb befindlichen Standorte eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird. Ende des Jahres könnte die Standortwahl getroffen sein.
Das Auto-Fahrrad
Ist es noch Fahrrad oder ist es schon Auto? Das ist bei diesem Mobil schwer zu sagen. Die norwegische Entwicklungsfirma Podbike AS bezeichnet das Vehikel als „Vierrädriges E-Bike mit vollem Wetterschutz“ und will es demnächst als „Podbike Frikar e-bike“ zu Preisen auf den europäischen Markt bringen, für die man für gewöhnlich „nur“ ein recht gutes Fahrrad oder ein sehr gebrauchtes Auto bekommt. Was das Ganze mit der Region zu tun hat? Die Innovationsschmiede TESTA MOTARI Automotive GmbH aus Johanngeorgenstadt, sonst bekannt für hochwertiges Fahrzeug-Interieur etwa in Rolls Royce, hat sich den Produktionsauftrag für das Podbike gesichert. Das innovative Fahrzeug kommt also schon bald: aus dem Erzgebirge.
SMART RAIL Connectivity Campus
Automatisiertes Fahren – das ist nicht nur eine Thema für die Straße, sondern auch der Schiene. Voraussetzung dafür ist die digitale Vernetzung und Kommunikation des Schienenverkehrs. Am Smart Rail Connectivity Campus in Annaberg-Buchholz soll ein Forschungs- und Entwicklungscampus entstehen, wo bahntechnische Erfindungen erforscht, entwickelt, getestet und zur Marktreife getrieben werden können. Träger des Netzwerks ist neben der Stadt Annaberg-Buchholz die Technische Universität Chemnitz. Die Erzgebirgsbahn als Teil der Deutschen Bahn stellt ihre Infrastruktur zur Verfügung und zahlreiche Start-ups, regionale und überregionale Forschungseinrichtungen, Eisenbahnverkehrsunternehmen und Infrastrukturbetreiber, Wirtschaftsförderungen, Verbände und Kommunen sind Teil des Netzwerks, das der Bund mit 17,75 Millionen Euro fördert. Damit soll unter anderem das „Digitale Testfeld Bahn“ errichtet werden, in dem 5G-Funkmasten errichtet, bestehende Gebäude mit modernster Technik ausgestattet und Triebfahrzeuge zu Testzügen umgebaut werden.
E-Autos für die Massen
"Wenn VW ein Elektro-Auto baut, dann muss es ein Volks-Wagen sein“, hatte VW-E-Mobilitätsvorstand Thomas Ulbrich im Sommer 2018 in Zwickau angekündigt – und meinte damit: Es müsste eine Massenfertigung geben und die Autos sollten einigermaßen erschwinglich sein. Bei beiden Vorhaben ist der Konzern inzwischen ein großes Stück vorangekommen – und die Region leistet einen maßgeblichen Beitrag: Seit 2019 wird das Volkswagen-Werk in Zwickau für rund 1,2 Milliarden Euro vollständig auf die Produktion von Elektroautos umgestellt. „Die Transformation befindet sich auf der Zielgeraden“, bestätigt VW Sachsen auf Nachfrage. Mittlerweile laufen hier ausschließlich E-Fahrzeuge vom Band: die Serien ID.3 in der Kompaktklasse sowie ID.4, ein SUV. Aktuell werden täglich 800 Autos produziert, es sollen einmal 1.400 pro Tag oder 330.000 jährlich werden. „Der Standort Zwickau wird damit zum größten und leistungsfähigsten E-Auto-Werk Europas und übernimmt eine Vorreiterrolle bei der Transformation des weltweiten Produktionsnetzwerks von Volkswagen“, heißt es aus dem Konzern. Im Motorenwerk in Chemnitz werden weiterhin kleine Otto-Motoren hergestellt, die laut VW-Aussagen „in einer Vielzahl von Modellen weltweit stark nachgefragt sind“. Deshalb sei die Auslastung des Standorts Chemnitz nach aktuellem Stand noch über viele Jahre gesichert.
Autonomes Fahren
Gleich fünf junge Chemnitzer Unternehmen befassen sich mit dem Thema Autonomes Fahren: FDTech, BASELABS, INTENTA, NAVENTIK und FusionSystems haben jeweils ihren ganz eigenen Bereich gefunden, in dem sie die Entwicklung am selbstfahrenden Auto vorantreiben – die einen stärker in der Sensorik, die zweiten in der Navigation oder dem Fahrerassistenzsystem, die dritten in der Positionsbestimmung. Statt miteinander zu konkurrieren, haben die fünf Unternehmen ein Bündnis geschmiedet – CADA, die Chemnitz Automated Driving Alliance, ein deutschlandweit einzigartiges Netzwerk, in dem jeder Partner eigene Lösungsbausteine erarbeitet, die im Zusammenschluss eine duchgehende Softwarekette für das automatisierte Fahren liefern.