Wirtschaft, Lebensart & Kultur für Netzwerker
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Networking in #SONDERZEITEN

Die Fähigkeit zum Netzwerken gilt als Kardinaltugend unserer Tage. Netzwerk-Experten sehen im Bilden von beruflichen Netzwerken vor allem zwei Aspekte: Einerseits kann man die eigene Position gegenüber den unterschiedlichen Zielgruppen stärken – also neue Kunden gewinnen oder sich für High-Potential-Mitarbeiter interessant machen. Und andererseits kann man im Netzwerk gegebenenfalls mehr erreichen als als Einzelkämpfer – durch die die bessere Auslastung von Ressourcen zum Beispiel.

Doch die vergangenen Wochen – und wohl auch die zukünftigen noch ein wenig – stellten erprobte Netzwerker auf eine harte Probe: Zahllose Business-Veranstaltungen, die Gelegenheit zum Networking geboten hätten, sind ausgefallen. Allein der CHEMNITZ INSIDE Businesskalender zählte von März bis Mitte Mai über 100 Seminare, Impulstage, Workshops, Konferenzen oder Messen, die zum überwiegenden Teil nicht wie geplant stattfinden konnten.

Wie also netzwerkt man in Krisenzeiten? CHEMNITZ INSIDE hat bei zwei Netzwerken nachgefragt – einem altbekannten und einem, das sich gerade erst formieren will.

Die Etablierten: Gründernetzwerk SAXEED

Das südwestsächsische Gründernetzwerk SAXEED darf mit Fug und Recht als etabliert gelten. Vor knapp 20 Jahren ins Leben gerufen und 2006 in der heutigen Form aufgestellt, will SAXEED den Gründergeist an den vier Hochschulstandorten der Region stärken. Insgesamt 21 Mitarbeiter sind in Teil- oder in Vollzeit an der TU Chemnitz, der TU Bergakademie Freiberg, der Hochschule Mittweida und der Westsächsischen Hochschule Zwickau damit beschäftigt, Gründungswillige zu orten, mit ihnen an ihren Geschäftsmodellen zu arbeiten, Fördermöglichkeiten zu eruieren und sie schließlich in die Selbstständigkeit zu führen. Vor allem Veranstaltungen sind dafür ein geeignetes Mittel: Über 430 wurden beispielsweise im Sommersemester des Jahres 2019 durchgeführt, darunter über 100 Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen und Workshops, aber auch Scouting-Termine, Gründer-Abende und Gründer-Frühstücke, ein Sommerfest und viele Beratungsgespräche: „Damit kamen wir im vergangenen Sommersemester auf über 2.800 Kontakte“, berichtet Projektgeschäftsführerin Susanne Schübel, die die SAXEED-Arbeit von Chemnitz aus koordiniert.

Ähnlich sah der Plan auch für dieses Frühjahr aus – doch Corona kam dazwischen. An der TU Chemnitz steckte sich früh im März ein Student an, die Uni-Leitung handelte resolut: Präsenz-Veranstaltungen wurden eingestellt, auch die Mitarbeiter durften bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in ihre Büros. „Seitdem arbeiten wir fast ausschließlich vom Home-Office aus“, sagt Schübel.

„Wir lernen gerade alle im Eilverfahren, dass man einen Referenten nicht unbedingt nach Chemnitz oder Mittweida einladen muss, um von ihm zu lernen

SAXEED-Projektgeschäftsführerin Dr. Susanne Schübel

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Schritt 1: Die wöchentlichen SAXEED-Meetings in Chemnitz wurden aus dem Stand auf Online-Konferenzen umgestellt: „Das war uns wichtig, um weiterhin einen Überblick über die Aktivitäten an allen Standorten zu haben, zumal aktuell neue Kooperationsvereinbarungen mit den Hochschulen erarbeitet werden“, erklärt die Projektgeschäftsführerin.

Schritt 2: Der Lehrveranstaltungsbetrieb musste umgeplant werden. SAXEED kam dabei entgegen, dass der Lockdown partiell in die vorlesungsfreie Zeit fiel – das verschaffte etwas Luft. Nun sind alle Lehrveranstaltungen auf Online-Seminare umgestellt, „sogar solche, wo man sich das kaum vorstellen kann, zum Beispiel ein Workshop zum 3D-Druck“, schmunzelt Schübel. Um unterschiedlich starken Internet-Verbindungen in der Studierendenschaft gerecht zu werden, kombinieren die Lehrveranstaltungen Live-Streams und Downloads.

Schritt 3: Der Kontakt zu den betreuten Gründerteams sollte aufrecht erhalten werden. „Auch hier sind wir zum großen Teil auf Online-Beratung umgestiegen.“ All dies ermögliche einen einigermaßen regulären Betrieb.

Doch eine Frage treibt Susanne Schübel noch um: „Wie wird die Akquise künftiger Gründerteams funktionieren?“ In der Vergangenheit entstand ein Erstkontakt häufig am Rande von Info-Ständen an den Hochschul-Mensen oder am Rande von öffentlichen Veranstaltungen wie dem finalen Pitch für den SAXEED-eigenen Geschäftsideen-Wettbewerb. „Auch unsere beiden zuletzt akquirierten Gründungsprojekte haben wir bei einer Veranstaltung kennengelernt, noch dazu eine, die wir gar nicht selbst organisiert hatten, sondern wo wir als Experten eingeladen waren“, erläutert sie. Solche Gelegenheiten gibt es derzeit kaum: „Wir hoffen, dass wir durch Forcierung unseres Online-Marketings trotzdem weiter präsent sein können.“

SAXEED bespielt derzeit die wichtigsten Social-Media-Kanäle – und wagt sich auch in weitere wie LinkedIn. Insgesamt, so glaubt sie, wird Netzwerken aktuell zielgerichteter: „Bei Präsenz-Veranstaltungen lässt man für gewöhnlich auch ein wenig den Zufall walten, mit wem man ins Gespräch kommt. Heute suchen wir gezielter nach potenziellen Ansprechpartnern für unsere Gründer – und rufen dann einfach an“, so Schübel. Der digitale Erfahrungsschub, der krisenbedingt bei vielen Menschen einsetzt, könnte künftig ebenso beim Netzwerken helfen: „Wir lernen gerade alle im Eilverfahren, dass man einen Referenten nicht unbedingt nach Chemnitz oder Mittweida einladen muss, um von ihm zu lernen – diese Erfahrung sollten wir unbedingt mitnehmen. Denn das eröffnet ganz neue Netzwerke zu ganz neuen Experten, die unsere Gründer voranbringen können.“

Die Starter: WIR!-Bündnis GRAVOmer

Im Gegensatz zu SAXEED kann das Bündnis GRAVOmer nicht auf eingespielte Prozesse setzen. Es formierte sich erst vor gut einem Jahr, um Mitteldeutschland zu einem Kompetenznetzwerk für die anwendungsbezogene Gestaltung von Oberflächen im industriellen Maßstab zu entwickeln. Papier oder Pappe soll durch spezielle Prägung antibakteriell werden, Verglasungen könnten einen fürs menschliche Auge unsichtbaren Vogelschutz integrieren oder Poolfolien sich selbstständig gegen Verschmutzungen wehren. „Das Spektrum möglicher Anwendungen, in denen Oberflächen über eine spezifische Strukturierung dauerhaft mit bestimmten Funktionen ausgestattet werden können, ist sehr groß“, erklärt Lutz Engisch, Initiator des Projekts und Professor für Werkstoffe an der HTWK Leipzig: „Mit dem GRAVOmer-Netzwerk wollen wir Unternehmen aus Mitteldeutschland in die Lage versetzen, regionale Wertschöpfungsketten rund um die Produktion und Anwendung von komplexen funktionalen Oberflächen aufzubauen.“

Dafür wurden über 40 Partner in Mitteldeutschland gesucht und gefunden, darunter ein knappes Dutzend auch in der Region Südwestsachsen. Ein Antrag im Rahmen des Programms „WIR! Wandel durch Innovation in der Region“ beim Bundesministerium für Bildung und Forschung musste erarbeitet werden, der im September 2019 positiv beschieden wurde: 15 Millionen Euro kann GRAVOmer in den kommenden Jahren für die Netzwerk-Arbeit und für konkrete gemeinsame Entwicklungsprojekte der beteiligten Unternehmen und Forschungsinstitutionen ausgeben.

Mit Arend Riegel wurde im Dezember ein Bündnismanager eingestellt, im Frühjahr sollten erste größere Netzwerk-Veranstaltungen stattfinden: „Was an Aktionen geplant war, wurde erst einmal abgesagt. Bisher ließ sich ja kaum sagen, wer zu einer Veranstaltung kommen kann“, berichtet Riegel. „Und weil niemand wusste, wie lang die Beschränkungen gelten, können wir auch jetzt erst wieder in die konkrete Planung einsteigen.“

Die Überzeugung, dass sich durch Kooperationen Ressourcen besser nutzen lassen, wird durch die Krise nicht falsch.

Bündnismanager GRAVOmer: Arend Riedel

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Nun soll GRAVOmer im Juni einen Trägerverein erhalten. Die 40 Antragspartner müssen überzeugt werden, den ursprünglichen Intentionen auch praktische Schritte folgen zu lassen. Und auch weitere Partner, die sich dem Bündnis anschließen, werden gesucht. Doch Riegel ist vorsichtig: „Als Bündnismanagement haben wir unsere Erwartungshaltung in punkto Mitgliederzahl ein stückweit abgesenkt: Für viele Unternehmen ist der Einstieg in ein neues Netzwerk in der aktuellen Situation sicherlich nicht auf Platz 1 der Prioritätenliste.“

Dennoch sieht er gute Argumente – auch und gerade in der aktuellen Situation – auf Netzwerk-Arbeit zu setzen: „Die Überzeugung, dass sich durch Kooperationen Ressourcen besser nutzen lassen, wird durch die Krise nicht falsch. Im Gegenteil: Gerade jetzt kann die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen dazu beitragen, schneller wieder Fuß zu fassen.“ So wundert es Riegel auch nicht, dass drei Entwicklungsprojekte innerhalb des Netzwerks gut angelaufen und fünf weitere in der Pipeline sind. Jeweils zwischen drei und sechs Partner müssen sich dafür untereinander abstimmen und koordinieren: „Und das funktioniert sehr eigenständig zwischen den Unternehmen.“

Für die Marketing-Arbeit des Netzwerks hingegen setzt GRAVOmer zunächst auf 1:1-Kontakte zu aktuellen und potenziellen Partnern, zu Multiplikatoren oder in die Politik – und auf Pressearbeit: „Die Herausforderung, als neues Netzwerk Bekanntheit zu gewinnen, hätte sich mit oder ohne Lockdown gestellt“, sagt der Bündnismanager: „Und die nehmen wir an.“ vtz