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#FRAU*INNEN Wirtschaft lenken

Wo Führung weiblich ist

Nun hat also auch die CDU die Quote entdeckt. Und obwohl die Partei momentan eine Frau als Vorsitzende hat, die Bundeskanzlerin stellt und auch die Position des EU-Präsidenten weiblich besetzt, wird ihr von allen Seiten gut zugeraten: „Nur Weicheier sind gegen die Quote“ schreibt der „Spiegel“, „Die CDU braucht die Quote“ die F.A.Z. – zwei Publikationen, die sonst selten der gleichen Meinung sind. Die Frauenquote soll mehr Diversität in die Partei bringen – und damit die Wahlerfolge der Zukunft sichern helfen.

Die Diskussion um die CDU-Quote nährt zugleich die Hoffnung beim Regierungspartner SPD, nun bald auch eine Frauenquote für die Vorstände börsennotierter voll mitbestimmter Unternehmen durchzusetzen. Dies sei nicht unzumutbar, sondern Zeichen eines modernen Landes, denkt Familienministerin Franziska Giffey. Und beträfe nur etwa 100 Unternehmen in Deutschland.

Was andernorts für heftige Diskussionen sorgt, ist in mittelständischen Unternehmen der Region oft bereits Realität: Frauen in Führungspositionen. Chemnitz Inside hat einige von ihnen getroffen und mit ihnen über ihren Weg an die Unternehmensspitze gesprochen.

Die Nachfolgerin: Annett Barth, Delta Barth Systemhaus GmbH

Vielleicht ist es der natürlichste Weg, um es als Frau an die Spitze zu schaffen: „Wir haben einen klassischen Familienbetrieb und ich bin mehr oder weniger im Unternehmen aufgewachsen“, erklärt Annett Barth, Geschäftsführerin der DELTA BARTH Systemhaus GmbH in Limbach-Oberfrohna. Dass sie einmal das 1990 von ihrem Vater gegründete IT-Systemhaus leiten würde, war trotzdem nicht ausgemacht. „Ich habe Jura und BWL studiert, bin also branchenfremd. Und während des Studiums war ich länger nicht in der Region – von daher stellte sich schon immer wieder die Frage, ob ich ins Unternehmen einsteige.“

2007 fiel dann die Entscheidung – sie macht’s. Doch wie macht man es richtig? „Mit meinem Vater haben wir entschieden, dass ich als Mitglied der Geschäftsleitung Vertrieb und Marketing verantworten soll.“ Das sei vielleicht der schwierigste Part des Unternehmertums – wenn sie den hinbekäme, sei der Rest kein Problem, fand der Vater. Also fuhr sie raus mit den Kollegen zu den Kunden, „um auszuprobieren und zu schauen, ob es funktioniert“.

Es ging so gut, dass Annett Barth ab 2011 gemeinsam mit dem Gründer eine Doppelspitze bildete – und der sich zunehmend aus dem operativen Geschäft zurückzog. Seit 2019 führt die Tochter das Unternehmen vollkommen allein. „Dass ich die Tochter des Gründers bin, hat nicht zu Akzeptanzproblemen geführt. Eher im Gegenteil: Die Mitarbeiter haben mit meinem Einstieg realisiert, dass es mit der Firma weitergeht, sie sich also keine Zukunftssorgen machen müssen. Und dass kein Fremder ins Unternehmen kam, wurde auch als Vorteil angesehen.“

Die Grundphilosophie müsse übereinstimmen, wenn man ein Unternehmen weiterführen will, sagt Annett Barth – die Strukturen dürfe man trotzdem überdenken. „Wir haben unsere Arbeitsweise hin zu agiler Software-Entwicklung verändert. Wir arbeiten heute hierarchieloser als noch vor zehn Jahren, in Teams, die gemeinsam entwickeln.“ Sie selbst sei nicht unbedingt der Typ, der sagt, was zu machen ist: „Die Mitarbeiter sind die Fachleute auf ihrem Gebiet – also erwarte ich von ihnen Lösungsansätze. Ich bin eher die, die zuhört und aus dem Gesagten eine Richtung entwickelt.“

Dass ich die Tochter des Gründers bin, hat nicht zu Akzeptanzproblemen geführt. Eher im Gegenteil.

Annett Barth, Geschäftsführerin der DELTA BARTH Systemhaus GmbH

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Neben der Geschäftsführerin bestimmen heute vier Personen die Ausrichtung der 65 Mitarbeiter zählenden DELTA BARTH Systemhaus GmbH maßgeblich mit – zwei Männer, zwei Frauen. Diese Diversität ist Annett Barth wichtig, dies gelte aber nicht nur fürs Geschlecht: „Wir streben eine gemischte Altersstruktur und auch unterschiedliche berufliche Qualifikationen an. Man braucht verschiedene Sichtweisen auf das eigene Produkt, um das Beste herauszuholen“, findet sie. Dass Frauen trotzdem eher selten in Führungspositionen anzutreffen sind, beobachtet Annett Barth bei Netzwerktreffen unterschiedlichster Art: „Da bin ich oft die einzige weibliche Führungskraft – und oft auch die einzige unter 50.“ Warum das so ist? Man brauche eine Frau, die die Führungsrolle anstrebt. Die müsse dann auch mit den Gegebenheiten des Jobs klarkommen. Dafür müsse das Familienmodell stimmen. „Frauen sind in ihrem Denken eher selbstlos, rücken andere Themen vor die eigene berufliche Entwicklung und stellen eigene Ansprüche zurück.“ Dabei schließen sich Familie und Karriere nicht aus, findet sie.

Um das zu zeigen, engagiert sich Annett Barth im Netzwerk „FRAUEN unternehmen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie – als eine von wenigen Sächsinnen. Gespräche an Schulen und Universitäten, Auftritte bei Frauennetzwerken, persönliche Ansprechpartnerin für Gründerinnen – all dies gehört hier zu ihren Aufgaben: „Ich will Frauen motivieren zu verwirklichen, was sie sich vorgenommen haben. Mit meiner Geschichte kann ich Ansporn sein, dass sie sich ausprobieren und eine Führungsrolle in einem Unternehmen nicht von vornherein gedanklich als Ding der Unmöglichkeit betrachten.“

Die Mitwachsende: Katrin Lehmann, Schneider Gruppe

Es einfach ausprobieren – das hat auch Katrin Lehmann gemacht. Als die heute 38-Jährige ihr Studium der Medienkommunikation an der TU Chemnitz beendet hatte, arbeitete sie zunächst in einer Apotheke. Dort verantwortete sie zuletzt das Marketing – und eine ähnliche Position, die der Marketingleiterin, war 2011 auch bei der Schneider Gruppe ausgeschrieben.

„Das war mit den damals 150 Mitarbeitern und acht Standorten definitiv eine andere Größenordnung. Aber ich habe es mir zugetraut“, berichtet Lehmann. Das Marketing des Autohauses habe in seinen Prozessen und fachlichen Abläufen in den Kinderschuhen gesteckt: „Der Seniorchef und Firmengründer meinte damals: Sie können hier alles machen. Aber machen sie es nicht pink“, schmunzelt sie rückblickend. Also machte sie: „Zunächst ging es darum, den Bereich aufzubauen, Strukturen zu etablieren, zu schauen: Wen und was brauchen wir.“

Der Seniorchef und Firmengründer meinte damals: Sie können hier alles machen. Aber machen sie es nicht pink.

Marketingleiterin der Schneider Gruppe GmbH

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Im Kern ist das bis heute ihre Arbeit – wenn auch inzwischen noch einige Nummern größer: Die Schneider Gruppe ist gewachsen seit ihrem Eintritt – auf heute 430 Mitarbeiter, mit Standorten in Hof, Plauen, Zwickau oder Freiberg. Mit dem Wachstum ihres Arbeitgebers wuchs auch Lehmanns Verantwortung: 2015 wurde sie in die Geschäftsleitung berufen als eine von damals vier Mitgliedern. Bis heute gehört sie dieser inzwischen 7-zügigen zweiten Führungsebene unter Geschäftsführer Marko Schneider an.

Das Unternehmenswachstum brachte neue Herausforderungen mit sich: Was macht die Schneider Gruppe aus? Wie lebt man die familiären Werte des traditionellen Familienunternehmens auch unter den Bedingungen eines größer werdenden Mittelständlers? Und wie kann man eine Marke bilden, während das Bild von außen durch die Aktivitäten von fünf großen Automarken beeinflusst wird? „Dass ich Mitglied der Geschäfts- und Gesamtleitung bin, hat riesige Vorteile: Das macht die Entscheidungswege kurz. Ich bin nicht nur Ausführende, ich treffe die Entscheidungen mit.“

Zu diesen Entscheidungen gehört unter anderem, dass es bei der Schneider Gruppe ein Coaching speziell für die angestellten Frauen gab: „Mir war wichtig, insbesondere in einer männerdominierten Branche, etwas für unsere Mitarbeiterinnen zu entwickeln. Immerhin sind ca. 25 Prozent der Belegschaft weiblich, arbeiten oft im Erstkontakt mit unseren Kunden und prägen dadurch den ersten Eindruck von der Schneider Gruppe. Die meisten machen das intuitiv sehr gut, aber einheitliche Standards bieten eben doch eine Orientierung, was wir als Arbeitgeber im Kundenumgang erwarten und voraussetzen. Das innere Standing der Mitarbeiterinnen zu stärken, kann nur von Vorteil sein.“ Das Ganze soll zukünftig auch auf die männlichen Mitarbeiter ausgerollt werden, ist sich Lehmann sicher: „Corporate Behave geht schließlich jeden an.“

Doch das Geschlechter-Thema ist ihr wichtig. „Wie kann man Frauen ermutigen, Positionen wie die meine anzustreben?“. Unter den Geschäftsleitungskollegen will sie dafür immer wieder das Bewusstsein schärfen. „Wir müssen es schaffen, dass Kinder keinen Karrierebruch bringen. Das ist schwer, aber möglich“, findet sie. Dafür brauche es Toleranz im Kollegenkreis, Verständnis, Flexibilität. Aber auch die Einsicht unter den Frauen: „Eine komplette Woche kindkrank, das geht dann nicht.“

Sie selbst hat fünf Monate nach der Geburt von Zwillingen wieder begonnen, an Geschäftsleitungsmeetings teilzunehmen, um den Überblick zu behalten. „Dafür braucht es familiäre Unterstützung und Verständnis vom Partner. Aber das ist ja bei Zwillingen ohnehin so – da hat immer jeder ein Kind auf dem Arm.“ Corona habe noch einmal eine ganz andere Flexibilität zutage gebracht: „Da sieht man, dass viel geht, wenn es muss.“

Die Co-Chefin: Linda Hüttner, Gunter Hüttner Bauunternehmung

Ist die Autowelt schon männlich, dann ist es die Bauwelt erst recht: „Im Baubetrieb wird meist nach Herrn Hüttner gefragt, das ist nun einmal so“, weiß Linda Hüttner. Den Herrn gibt es auch bei der Chemnitzer Gunter Hüttner Bauunternehmung, die aktuell über 300 Mitarbeiter beschäftigt: ihren Bruder Daniel Hüttner. Gemeinsam tragen die Geschwister seit 2016 die Verantwortung für das Unternehmen, übernommen von ihren Eltern. „Dass es die Firma gibt, war klar. Aber wir sind immer mit der Demut aufgewachsen zu wissen, dass es auch turbulente Zeiten geben kann – mit allen damit verbundenen unternehmerischen Risiken. Von daher stand immer fest: Wir müssen auch auf eigenen Füßen stehen können.“

Einen Bauberuf wählte Linda Hüttner trotzdem – zuerst eine Ausbildung als Stuckateurin, später sattelte sie ein Architekturstudium obendrauf. „Wo auch immer ich arbeiten würde – ich wollte ernst genommen werden. Und mit praktischer Erfahrung ist das leichter.“ So war es ihr auch wichtig, nach dem Studium in einem Architektenbüro zu arbeiten, um selbst die Vorlageberechtigung für Planungen zu erreichen. Erst 2009, nach drei Jahren Berufstätigkeit, stieg sie ins elterliche Unternehmen ein und absolvierte eine längere Einarbeitungsphase. „Am Anfang hatte ich kaum Führungsverantwortung, das kam schrittweise“, erinnert sie sich.

Das war gut so, findet sie: „Führung muss man lernen. Man muss sich überwinden, den Konjunktiv wegzulassen und klare Ansagen zu machen. Heute bin ich robuster in der direkten Ansprache.“ Zur Führungsrolle gehöre, sich auch mal unbeliebt zu machen. Viele Frauen scheuten den Gegenwind, der sich daraus ergebe.

Männer diskutieren über Rechtsextremismus, Frauen über Frauen? Ich lasse mich viel lieber zu gesamtgesellschaftlichen Themen befragen.

Linda Hüttner, Geschäftsführerin GUNTER HÜTTNER + Co. GmbH

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Mit Bruder Daniel teilt sie sich in die Geschäftsführungsaufgaben hinein: „Es gibt keine klare interne Aufgabentrennung. Wir stimmen uns ab, was das Alltagsgeschäft betrifft.“ Das habe den Vorteil, dass man auch ohne schlechtes Gewissen mit der Familie in den Urlaub fahren könne – der andere ist da und weiß Bescheid: „Ich wüsste nicht, welchem Menschen ich sonst so vertrauen könnte. Wir sind gewohnt, sehr offen miteinander zu sprechen – wir haben zwar nicht immer die gleiche Meinung, aber sind immer konsensfähig.“

Ob sie ohne die familiären Voraussetzungen in eine solche Position gekommen wäre? „Ich weiß es nicht“, bekennt Linda Hüttner: „Frauen fehlt oft das unternehmerische Vorbild, jemand, an dem man sich orientieren kann. Es gibt kaum andere Geschäftsführerinnen in der Baubranche.“ Doch sie arbeitet daran, dass sich das gegebenenfalls ändert: „Nachwachsende Frauen werden bei uns nicht übersehen: Wir bauen gerade zwei Bauleiterinnen auf.“ Das bringe durchaus positive Rückmeldungen. Bei Kunden, in Ämtern und Behörden seien schließlich recht viele Frauen im Einkauf oder in der Projektleitung beschäftigt – die freuten sich, wenn sie es mit anderen Frauen zu tun bekommen.

Aufs Frauenthema reduzieren lassen will sich Linda Hüttner aber nicht: Einladungen, bei denen es hauptsächlich um frauenspezifische Fragen wie die „Teilzeitfalle“ gehe, lehne sie ab. „Männer diskutieren über Rechtsextremismus, Frauen über Frauen? Ich lasse mich viel lieber zu gesamtgesellschaftlichen Themen befragen“, erklärt sie: „Das ist schließlich gleichberechtigte Teilhabe.“ vtz