Interview mit NINERS-Geschäftsführer Steffen Herhold über wachsende Ansprüche, wachsende Budgets – und eine Arena in der Innenstadt
Ende September starten die Niners Chemnitz in der Basketball-Bundesliga in ihre fünfte Saison. In der vergangenen Spielzeit errangen sie mit dem Gewinn des FIBA- Europe-Cup erstmals einen Titel und zogen ins Playoff-Halbfinale der Bundesliga ein. Steffen Herhold hat die Entwicklung als Geschäftsführer der NINERS Chemnitz GmbH an entscheidender Stelle vorangetrieben. Chemnitz Inside traf ihn zum Interview über Erwartungsmanagement, Markenführung und die Chancen einer Multifunktionsarena in der Chemnitzer Innenstadt.
Herr Herhold, lassen Sie uns mit einer kritischen sportjournalistischen Frage anfangen...
Das gefällt mir.
... in der ewigen Tabelle der Basketballbundesliga steht Chemnitz nicht besonders gut da: Nur Platz 39 und ein negatives Punkteverhältnis. Wann werden Konsequenzen gezogen?
Das ist interessant, das habe ich mich kürzlich gefragt: Wo stehen wir in dieser Tabelle.
Platz 39. Zwei Punkte hinter dem Hamburger TB auf 38. Insgesamt gibt es 82 verzeichnete Vereine.
Ich mag solche statistischen Spielereien. Wir werden peu à peu versuchen, da ein wenig nach vorn zu klettern. Immerhin haben wir uns, wenn ich richtig rechne, nach vier von bisher 58 Spielzeiten schon ins obere Mittelfeld katapultiert. Das ist ja schon wieder kometenhaft. Aber dieses Thema merke ich mir, wenn die Frage kommt: Was motiviert Sie noch? Platz 1 in der ewigen Tabelle...(schmunzelt)
Ist es ein Vorteil für den Basketballstandort Chemnitz mit einer überschaubaren Medienlandschaft, dass nicht allzu oft kritische Fragen kommen?
Ich werde gerade ganz hellhörig, woher dieser Spin kommt... Vielleicht liegt es auch daran, dass es wenig Anlass gab für kritische Fragen. Es ist nicht so, dass wir kritische Fragen ausschließen. Es läuft auch nicht immer alles rosig und ganz emotionsfrei, dessen sind wir uns bewusst. Ich erinnere mich an die Saison 2017/18. Da sind wir nach dem Fast-Aufstieg in die erste Liga ambitioniert gestartet, haben aber eine sehr durchwachsene Saison gespielt. Da wurde auch teilweise schon die Trainerfrage gestellt im Umfeld. Gut, dass wir mit Ruhe und Besonnenheit und Überzeugung damals mit Rodrigo Pastore weiter gemacht haben. Genauso sind wir auch mit der Situation um den positiven Dopingbefund von Jason George umgegangen. Ganz geräuschlos läuft es also auch bei uns nicht, perfekt ist das alles nicht. Wir versuchen, mit guter und offener Medienarbeit vorzubauen. Und rein sportlich: Wenn man regelmäßig die Erwartungen übertrifft, dann gibt es einen kollektiven Rausch, der macht vielleicht auch vor den Medien nicht halt.
Blickt man auf die vergangenen Jahre zurück, ist oft nach einer Saison über den Erwartungen eine „durchwachsene“ gefolgt. Die letzte Spielzeit war überaus erfolgreich, mit welchen Erwartungen gehen Sie in die kommende?
Da werde ich, im Sinne eines aktiven Erwartungsmanagements, nicht müde, alle Erfolge einzuordnen. Wenn man in der dritten Bundesliga-Saison „Angst“ davor hat, womöglich nicht in die Playoffs zu kommen, wo wir Spiele in Serie verloren haben, wo wir Gegner brauchten, die uns beim Siegen etwas geholfen haben, sage ich: Das liegt im Bereich des Erwartbaren. Wie viele Mannschaften spielen kumuliert zehn, zwölf Jahre in der Bundesliga und schaffen es nie in die Playoffs? Wir müssen das in Relation setzen: Wo stehen wir in der Etat-Tabelle, wo stehen wir im Vergleich zu unseren Mitbewerbern? Drei Mal in Folge Playoffs in den ersten vier Jahren Bundesliga: Das ist Überperformance. Was aber auch stimmt: Angesichts dieser Entwicklung und auch der Entwicklung in der Stadt als Ganzes ist die Erwartungshaltung, ist der Anspruch zurecht gestiegen. Nur „Dabei sein ist alles“ zieht nicht mehr. Wir gehören inzwischen zu den acht, neun Teams in der Bundesliga, die die Playoffs als Ziel formulieren müssen. Und wir waren in der Vorsaison mit der Zielvorgabe „Drei Mal Top Vier“ sehr offensiv.
Das bedeutete: Drei Mal Halbfinale in drei Wettbewerben – das hat den Nachteil, dass man schnell hinterm Ziel zurückbleibt, wenn man in der ersten oder zweiten Pokalrunde ausscheidet wie im vergangenen Jahr...
Absolut. Aber das gehört zu unserem Management-Ansatz und die sportliche Leitung arbeitet ähnlich. Wir arbeiten mit „Stretch Targets“: Man setzt sich hohe Ziele – nicht unmöglich zu erreichen, aber sehr, sehr ambitioniert. Das ist im Sport oder auch in der Politik unüblich, kommt eher aus der Wirtschaft. Zum Beispiel: Mein Unternehmen ist bei fünf Millionen Umsatz, ich sage: In drei Jahren will ich zehn Millionen haben. Wenn ich dann 8,5 schaffe, bin ich um 70 Prozent gewachsen. Wichtig ist vor allem der Impuls, der aus der Zielformulierung entsteht, dasStreben nach Perfektion, nach Exzellenz in den verschiedenen Unternehmensbereichen. Man will auf ein neues Plateau – das hat eine große motivierende Kraft. Und Mitarbeiter wissen Entscheidungen oder Zwischenziele einzuordnen, können erkennen, warum man bestimmte Dinge macht. Das ist also ein Stück Unternehmenskultur.
„Wir arbeiten mit „Stretch Targets“: Man setzt sich hohe Ziele – nicht unmöglich zu erreichen, aber sehr, sehr ambitioniert.“
Steffen Herhold
Sie haben die Etat-Tabelle angesprochen. Wo liegen die Niners in der Bundesliga?
Ganz genau weiß das niemand. Es wird ja dieses Jahr ein Novum geben in der Bundesliga. Bis auf zwei Clubs wollen alle ihre Budgetzahlen im Oktober veröffentlichen. Aber auch da wird es noch Unschärfen geben. Die Zahlen beruhen dann auf dem 1. Quartal der neuen Saison, da trifft man noch Annahmen über Zuschauerzahlen, Sponsoring, sportlichen Erfolg national und international. Im Regelfall ändert sich das Ganze also im Laufe der Spielzeit. Aber man hat einen Richtwert. Aktuell kann man sagen: Bayern München ist weit vorne dran, auch wenn die die Zahlen wie Oldenburg nicht offenlegen wollen. Oldenburg gehört mit Ulm und Alba finanziell zu den Top 4. Dann kommt the rest of the pack, ein Feld aus fünf, sechs Mannschaften: Ludwigsburg, Hamburg, Bonn, Chemnitz, Rostock, Bamberg, die mit +/- 1,5 Millionen ähnliche Budgets haben.
Und da liegt man bei sechs bis acht Millionen Euro?
Nehmen wir 2023/24 als Vergleich: Da haben wir im Oktober 5,8 bis sechs Millionen Euro reingeschrieben, am Ende des Geschäftsjahres waren es 7,5 Millionen. Das kommt durch die große Zahl zusätzlicher Heimspiele international und in den Bundesliga-Playoffs – deswegen sind die zusätzlichen 1,5 Millionen natürlich kein Reingewinn. Dieses Jahr werden wir zum 15. Oktober um die 6,5 Millionen Euro an die Liga melden.
Gab es im Vorjahr die Angst vor zu viel Erfolg? Man zahlt dann ja auch Auswärts-Trips, Prämien…
Tatsächlich nicht. Und das freut mich, weil es im Sport eine große Herausforderung darstellt. Wir hatten vor der Saison alle unsere Sponsoren-Verträge umgestellt, dahingehend, dass mit sportlichem Erfolg auch Sponsoring-Prämien fällig werden. Man erhält als Sponsor dann ja auch mehr Reichweite. Wir hätten also auch Meister werden können, ohne drei Wochen später zum Insolvenzgericht gehen zu müssen. Das gibt es im Sport, weil es ein wenig ein Ritt auf der Rasierklinge ist. Aber so arbeiten wir nicht, wir mögen alle einen guten Schlaf. Wir mögen sportlichen Erfolg, der auch gegenfinanziert ist. Das ist nicht ganz einfach, aber das passt. Wie setzt sich das Budget zusammen? 70 bis 75 Prozent sind Sponsoren-Gelder. An die 20 Prozent kommen durchs Ticketing. Die restlichen fünf bis acht Prozent kommen durch die Zentralvermarktung der Liga und durchs TV-Geld.
Gibt es eine feste Regel, wie das Geld aufgeteilt wird, wenn ein neuer Sponsor kommt?
Nein, es gibt einen Finanzplan. Der Block „Gehälter“ macht etwa 50 Prozent aus, da sind Spieler und Crew dabei, aber auch die Geschäftsstelle mit Ticketverkauf, Pressestelle, mein Gehalt. Dann gibt es zwei Aufwandsblöcke – einer hat mit Sport zu tun, umfasst Hallenmieten, Reisekosten, Hospitality-Kosten, Arzt-Kosten. Der andere umfasst nicht variable Sachkosten: Die Miete fürs Trainingszentrum, für die Geschäftsstelle zum Beispiel. Das zusammen sind die anderen 50 Prozent, eine gesunde Quote.
Hat der Standort Chemnitz den Vorteil, dass man hier weniger Miete oder auch geringere Geschäftsstellengehälter bezahlt als in Hamburg oder München? Kann man dadurch mehr in die sportliche Entwicklung stecken?
Ich glaube nicht. Das nivelliert sich. Günstigere Mieten, ja. Aber den Sponsoren fällt es auch schwerer, ähnliche Summen wie Unternehmen in Hamburg oder München zu investieren. Dafür fehlen uns 40 Jahre Marktwirtschaft, 40 Jahre, in denen inhabergeführte Unternehmen Vermögen aufbauen konnten. Wir haben inzwischen einen Mittelstand, der in der Lage ist, Sport, Kultur oder Soziales zu unterstützen. Das ist das Entscheidende. Das war vor 15 oder 20 Jahren noch etwas anderes. Diese Unternehmen haben das Interesse, dass der Standort Chemnitz attraktiv ist, damit sie für ihre Mitarbeitenden interessant bleiben. Das hat die Entwicklung der Niners überhaupt erst möglich gemacht.
Von wie vielen Sponsoren reden wir?
Diese Saison werden es 215 bis 220 sein. Das ist sehr viel. Und die Tickets, die damit verbunden sind, sind ein hohes Gut, die Leute wollen dann auch zum Spiel kommen. Aber diese Zahl ist nicht untypisch für ostdeutsche Clubs, die in ihren Sportarten in der Belletage spielen. Du brauchst diese Breite, das ist unser Weg. Das ist ziemlich cool. Es bedeutet: Du bist relevant.
Wie viel müsste man mitbringen, um die Niners von einem Namenssponsoring zu überzeugen?
Das ist kein 0 oder 1 - Thema. Ein Namenssponsoring hat immer auch Opportunitätskosten. Du bist vielleicht ohne diesen Namenssponsor anschlussfähiger für breite Zielgruppen. Man muss auch eine vollkommen neue Marke aufbauen. Um einen Win zu erzielen, muss der Betrag also schon recht hoch sein, weit im siebenstelligen Bereich – und auch über mehrere Jahre gesichert. Schließe ich es für uns aus? Nein. Aber da muss schon viel passen, da spielt nicht nur der Betrag eine Rolle. Wir diskutieren das auch in der Liga: Manche Clubs kennen es ja gar nicht anders, da ist der Betrag fürs Namenssponsoring eine feste Säule in der Finanzstruktur.
Umso größer ist der Katzenjammer, wenn diese Säule wegbricht…
Da bevorzuge ich momentan unseren Weg: Niners Chemnitz ist eine Marke, inzwischen auch nicht mehr nur regional, sondern mindestens sachsenweit. Nicht mehr nur bei Basketball-Fans, sondern auch darüber hinaus. Und die Niners Chemnitz haben eine Art Cinderella-Story erlebt, die auch die Medien bundesweit mögen. Das ist manchmal ungerecht gegenüber anderen Vereinen, die vielleicht soziale Arbeit auf dem Sonnenberg leisten. Deren Arbeit würde ich jederzeit als viel wichtiger einschätzen. Wir haben den Vorteil, in einem Bereich zu arbeiten, der fast automatisch die Menschen fesselt. Das ist dann für uns aber auch Verpflichtung, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das ist unser moralischer Kompass, der sich aus den Werten des Sports heraus ergibt: Kooperation. Team. Nicht auf die Hautfarbe schauen, nicht auf Größe oder Gewicht. Da kann Sport verbinden, auch wenn es um Wettkampf geht.
Im Fußball gibt es den Trend, dass junge Menschen eher Fans einzelner Spieler als ganzer Clubs sind. Im Basketball sehen wir: Hier kommen die Niners, mal sehen, wer nächstes Jahr für uns aufläuft… Wie wichtig sind einzelne Spieler?
Fan ist man in Deutschland erstmal für einen Club. Das hängt sicher damit zusammen, dass wir nicht die Liga sind, wo die Spielerkarriere ihren absoluten Höhepunkt erreicht, da gibt es die Euroleague oder die NBA, die alles überstrahlt. Trotzdem merken wir, wie superwichtig Spieler wie Malte Ziegenhagen früher oder Jonas Richter heute für uns sind. Ich selbst schaue da eher aus der sportgeschäftlichen Perspektive drauf und bin dann verwundert, wenn mich Leute beim Grillen fragen: Bleibt Aher Uguak? Da merke ich: Nelson Weidemann, Kevin Yebo, Aher Uguak – das sind Typen, das sind Identifikationsfiguren.
Dass solche Typen – mein Liebling der vergangenen Jahre: Niklas Wimberg – auf Dauer bleiben: Ist das komplett unrealistisch?
Bei Niklas und bei Nelson war es zur damaligen Zeit unrealistisch, bei Kevin hat nicht viel gefehlt. Alle drei lieben die Niners und haben sich auch in Chemnitz verliebt, das merkt man bis heute. Wir haben in ihrem Leben einen extrem positiv besetzten Zeitraum hinterlassen. Aber die drei sind Sportler, die haben auch den Ehrgeiz, sich auf dem nächsten Level durchzusetzen, an dem wir noch nicht ange- kommen sind. Und ehrlich: Wenn sich jemand im Gehalt verdoppeln kann, dann müssen wir auch uneigennützig sagen: „Junge, mach das! Du hast ganz viel zu unserem Erfolg beigetragen und du trägst mit deiner Geschichte dazu bei, dass wir den nächsten guten Spieler vielleicht leichter bekommen.“ Es ist nicht unsere Strategie, Spieler mit toxischen Mitteln an uns zu binden. Das wäre auch nicht die Sache von Rodrigo Pastore. Der freut sich ehrlich über jeden Spieler, der hier eine Entwicklung zum nächsten Level vollzogen hat. Wenn der Coach dieses Mind-Set nicht hätte, könnten auch wir als Organisation nicht so sein.
In Sachen Spieler greifen die Niners Jahr für Jahr in ein höheres Regal. Je mehr Sie sich verbessern, desto schwerer werden Karrieren wie die von Jonas Richter, der aus der eigenen Stadt, dem eigenen Nachwuchs kommt und sich bis ins Nationalteam hochspielt. Welche Rolle kann die Niners Academy künftig noch spielen?
Das stimmt, Jonas war zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle und konnte mitwachsen. Die Lücke zwischen Nachwuchs und erster Mannschaft wird immer größer. Es gibt verschiedene Modelle: Ulm holt Spieler relativ spät in den Nachwuchs – dann aber die europäischen Top-Talente, die mit Ziel EuroLeague oder NBA entwickelt werden. Oder der Alba- oder Vechta-Weg mit sehr breitem Scouting und vielen Kinder- und Jugendmannschaften, wo gelegentlich ein Bundesliga-Spieler herauskommt. Wir überdenken unsere Strategie da regelmäßig. In unserer aktuellen Welt wollen wir auf breiter Basis, aber auf kompetitivem Niveau Spieler entwickeln, die die Chance haben, mit 18 oder 19 in der zweiten Liga mitzuspielen, die man nach einer Ausbildungszeit oder nach Leihen auch wieder zurückholen kann. Das ist eigentlich bei jedem Club das große Ziel – aber das ist auch nicht wirklich planbar. Vor allem braucht man dafür eine gute Infrastruktur und Ressourcen, um Expertise auf Jahre an sich zu binden. Aber die Academy hat – aus meiner Geschäftsführerposition der Profi-Mannschaft heraus – eine zweite Aufgabe: Jedes Kind, das hier in der Region Basketball spielt, ist ein potenzieller Niners-Fan. Deshalb ist die Nachwuchs-Arbeit ein großer Block, der unsere Arbeit auch nicht langweilig werden lässt.
Deshalb braucht es dann bald eine deutlich größere Halle – am besten mitten im Stadtzentrum. Wie groß sollte die sein?
Größe ist natürlich nicht alles, aber anfangs 8.500 Zuschauer sollten reinpassen, sonst macht es aus unserer Sicht keinen Sinn. Vielleicht mit einer Erweiterbarkeit auf bis zu 10.000, das werden die Machbarkeitsstudien ergeben. Letzten Endes spielen wir aber auch in einer erfolgreichen Saison nicht mehr als 30 oder 35 Heimspiele, deshalb braucht es unbedingt die Mehrfach-Nutzung. Da geht es um Kultur, um Events, wo man vielleicht auch nochmal mehr Menschen in die Halle bringen kann. In solchen Dimensionen muss gedacht werden, damit eine solche Halle wirtschaftlich funktionieren kann.
„Die Niners sind nicht in der Lage, Eigentümer einer solchen Halle zu sein – vielleicht in 15 Jahren.“
Steffen Herhold
Stadt und Freistaat haben erklärt, dass sie weder Bauherr noch Betreiber dieser Halle werden wollen. Welche Konstellation könnten Sie sich vorstellen?
Die Niners sind nicht in der Lage, Eigentümer einer solchen Halle zu sein – vielleicht in 15 Jahren. Aber so lange können wir nicht warten. Realistisch ist – und das deutet sich ja an –, dass es einen Impuls aus der regionalen Wirtschaft gibt, ein Konsortium von Unternehmen der Region, die das bauen. Die Niners könnten sich beteiligen, damit wir die Chance auf Mitgestaltung haben. Und wir können Anker-Mieter werden.
Es gibt warnende Beispiele in der Region, bei denen der Bau eines neuen Stadions eine sportliche Negativspirale in Gang gesetzt hat…
Die großen Vorteile einer Multifunktionsarena: Sie hat keinen Rasen und sie hat ein Dach. Deshalb sind da ganzjährig andere Nutzungsszenarien vorstellbar, damit der Sport nicht alle Bau- und Unterhaltskosten gegenfinanzieren muss. Die Halle kann sich auch dann rechnen, wenn – auf Holz geklopft – die Niners an sportlicher Relevanz nicht mehr die Rolle spielen sollten wie heute. Deshalb macht mir diese Halle keine Angst, sondern ich sehe sie als echten Asset für die Stadt Chemnitz, als Impuls. Da sind wir nochmal beim Thema Mind-Set: Sehen wir die Chancen, sehen wir die Risiken? Stellen wir aufgrund eines Worst-Case-Szenarios unser Handeln ein? So bin ich nicht. Das ist auch nicht die Natur des Menschen. Dann hätten wir nie angefangen, Bilder an Höhlenwände zu malen. Und ich werde immer dafür Argumente finden, dass wir eine breite und moderne Sportinfrastruktur, aber auch eine kulturelle Infrastruktur in der Stadt haben. Ich glaube, das gehört zur Daseinsvorsorge und das gehört auch zur DNA von Chemnitz.
Letzte Frage: Wo sehen Sie die Niners mittelfristig?
Das wird jetzt nicht so sexy: Wir sind in der vergangenen Saison in den Bereich vorgestoßen, wo wir uns mittelfristig sehen. Kontinuierlich. Das Wort kontinuierlich wird unterstrichen. Unser Anspruch muss es sein, jedes Jahr ähnlich performant zu sein wie letztes. Das zu erreichen, wird viele Ressourcen brauchen, viel gute Arbeit. One-Hit-Wonder gibt es nicht nur in der Musik, die gibt es auch im Sport. Es gibt so viele Clubs, so viele Akteure, die trotz guter Arbeit nie erreichen, was wir letztes Jahr geschafft haben. Wir haben das jetzt geschmeckt – und das schmeckt sooo gut. Das willst du nochmal. Das lässt sich viel schwerer formulieren als „Abstieg vermeiden“. Wir wollen ein hochkompetitiver Club sein – daraus kann man kurzfristig Ziele ableiten. Zum Beispiel: Platz 38 in der ewigen Bundesligatabelle.
Herr Herhold, wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte Volker Tzschucke.
ZUR PERSON:
Steffen Herhold, Jahrgang 1978, wuchs in Chemnitz auf, machte sein Abitur am Immanuel-Kant-Gymnasium und schloss 2007 sein Studium zum Diplom-Kaufmann an der hiesigen Technischen Universität ab. Anschließend war er mehrere Jahre als Manager für die renommierte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte tätig. 2014 wechselte Herhold zur Konzernrevision der OSRAM GmbH. Seit Dezember 2016 ist er hauptamtlicher Geschäftsführer der Niners Chemnitz. Er ist verheiratet, seine Söhne spielen Fußball.
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