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Leerstellen. Oder: Wer soll die Arbeit künftig machen?

Es ist egal, wohin man hört: Ob in der Pflege, auf dem Bau, in den Schulen, Restaurants und Hotels, bei den Trägern öffentlicher Verkehrsmittel (nah und fern), in den Werkstätten, Fabrikhallen und Planungsbüros oder in Jugendeinrichtungen – es fehlt an Menschen. Selbst Steuerbüros nehmen zu kleine Kunden gar nicht erst an oder versuchen diese loszuwerden, wenn sie gar zu arbeitsaufwendig sind. Der Fachkräftemangel ist längst in vielen Teilbereichen der Wirtschaft angekommen, da hilft auch die Zurückhaltung bei der Einstellung neuer Beschäftigter in der Krise nicht. Und die Situation wird noch gravierender, wenn man sich die Zahlen auf den kommenden Seiten anschaut. So stellt sich die Frage: Wer soll die Arbeit künftig machen? Chemnitz Inside auf Ressourcensuche.

DIE ALTEN?

Annähernd 27 Prozent der Bevölkerung in Sachsen sind bereits heute älter als 65 Jahre – mehr als eine Million Menschen. Zwischen 1990 und 2022 hat sich die Zahl der Senior*innen in Sachsen um knapp 337.258 erhöht, ein Anstieg um 44,9 Prozent. Das Statistische Landesamt erwartet: „Auch in Zukunft wird die Zahl der Seniorinnen und Senioren weiter ansteigen.“ Bereits in den vergangenen Jahren ist das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Sachsen gestiegen, zwischen den Jahren 2000 und 2022 bei Männern von 61,1 auf 64,1 Jahre, bei Frauen von 60,5 auf 63,9 Jahre. Das ist bei wachsender Lebenserwartung je nach Beruf gegebenenfalls verkraftbar und politisch intendiert.

Lagerarbeiter

Interessant: Auch die Zahl der beschäftigten Senior*innen stieg in Sachsen kontinuierlich an. Gingen im Jahr 2000 lediglich drei Prozent der Senior*innen zwischen 65 und 70 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach, waren das 2022 bereits etwa 13 Prozent, in den Jahren vor der Corona-Krise lag die Zahl sogar noch höher. Dabei liegt die Quote der in diesem Alter noch berufstätigen Männer höher als die der Frauen. Zwei Drittel der aktuell erwerbstätigen Senior*innen in Sachsen arbeiteten in Teilzeit.

Diagramm 3

DIE JUNGEN?

Aktuell erreichen die Menschen der 1960er Jahrgänge das (reguläre) Renteneintrittsalter, in Sachsen jedes Jahr zwischen 60.000 und 65.000 Menschen. Dagegen rücken deutlich weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt nach. Nimmt man ein durchschnittliches Eintrittsalter in den Beruf von 20 Jahren an (Azubis etwas früher, Studierende etwas später), sind in diesem Jahr die 2004 Geborenen dran – dies sind in Sachsen wie in den Folgejahrgängen um die 35.000 Menschen, wobei die Zahl bis zum Jahrgang 2016 auf etwa 40.000 steigt (danach aber wieder sinkt).

Doch dummerweise gelingt es im Freistaat seit Jahren nicht, jede*n Jugendliche*n zu einem Schulabschluss zu bringen. Die letzte große Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2021 zeigt, dass der Pisa-Streber Sachsen in diesem Bereich notorisch schlecht ist – 6,4 Prozent verlassen die Schule ohne Berufsreife, deutlich mehr als im deutschen Durchschnitt (4,6 Prozent). In der Region Chemnitz sind die Zahlen noch gruseliger, so verlassen in der Stadt Chemnitz 9,5 und in Mittelsachsen 8,9 Prozent der Schüler*innen die Schule, bevor sie mindestens einen Hauptschulabschluss erhalten. Dieser Mangel summiert sich dann im weiteren Lebensweg auf: So waren im Jahr 2021 sachsenweit über 13 Prozent der 20- bis 30-Jährigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung – vier Prozent mehr als 2011.

Zu konstatieren ist: Jahr für Jahr scheiden in Sachsen 25.000 bis 30.000 Menschen mehr aus dem Berufsleben aus als in den Arbeitsmarkt eintreten. In den ärgsten Jahren kommt nahezu auf zwei potenzielle neue Rentner nur ein potenzieller neuer Arbeitnehmer.

Diagramm 2

DIE FRAUEN?

Am 8. März war Frauentag und da gab es Grund zur Freude: Denn in keinem anderen Bundesland arbeiten mehr Frauen als in Sachsen. Inzwischen gehen 65 Prozent der sächsischen Frauen im Arbeitsalter – die Bundesagentur für Arbeit geht da von der Spanne 15 bis 65 Jahre aus – einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach (hinzu kommen noch Beamte und Selbständige). Bundesweit liegt die Quote mit knapp 59 Prozent deutlich niedriger – „Hausfrau“ bleibt ein westdeutscher Beruf. Dies sei vor allem der Tradition der Nutzung weiblicher Arbeitskraft in der DDR zu verdanken, heißt es. Berufstätige Frauen waren hier eine Selbstverständlichkeit und die wird auch an heutige Töchter und Enkelinnen „vererbt“. Doch die Zahlen sind zuletzt auch im Freistaat nochmal deutlich angestiegen, 2010 waren nur 55 Prozent der hiesigen Frauen erwerbstätig. In Chemnitz liegt die Erwerbsquote der Frauen bei 61,6 Prozent, 57.776 Frauen sind hier sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die jetzt schon hohen Quoten erwerbsfähiger Frauen machen aber deutlich: Als zusätzliche Ressource für den Arbeitsmarkt steht der weibliche Teil der sächsischen Bevölkerung nur in geringem Umfang zur Verfügung. Denn: Wer schon arbeitet, kann höchstens noch ein paar Stunden mehr arbeiten – siehe auch: „Die Bequemen?“.

Bäckerin

DIE „BEQUEMEN“?

Zugegeben, „bequem“ ist nur ein journalistischer Trick, um in diesen Textteil zu locken. Denn dass nicht wirklich bequem ist, wer Teilzeit arbeitet, ist klar: Oft füllt – unbezahlte – Care-Arbeit die freie Zeit. Fakt aber ist: Die Zahl der Teilzeitarbeitenden wächst stetig (vielleicht ja auch, weil eine zunehmende Zahl von Alten zunehmend Care-Arbeit erfordert). Mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Südwestsachsen arbeitet inzwischen so – und auch zwölf Prozent der Männer.

In Südwestsachsen stieg die Zahl der Menschen in Teilzeit seit 2019 kontinuierlich an, bei den Frauen am stärksten im Vogtland von 52 auf 56 Prozent, bei den Männern am stärksten in Chemnitz von 13 auf 15 Prozent.

Diagramme

DIE AUSLÄNDER?

"Im 35-Prozent-AfD-Land wächst Beschäftigung dank ausländischer Arbeitskräfte“, titelte das Web-Portal „MiGAZIN“ im Februar dieses Jahres und berief sich dabei auf Zahlen der Regionaldirektion. So sei in Sachsen „von Juni 2022 auf Juni 2023 die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter um gut 3.000 auf 1,643 Millionen gestiegen. Während die Zahl von Ausländern in dieser Statistik um gut 4.900 zunahm, ging die deutscher Staatsbürger um knapp 1.900 zurück.“ Dies ist zunächst nicht verwunderlich, stieg doch auch der Ausländer-Anteil in Sachsen kontinuierlich an – laut statistischem Landesamt von 1,1 Prozent im Jahr 1990 auf 7,3 Prozent im Jahr 2022. Somit leben mittlerweile 300.200 Nichtdeutsche in Sachsen. Davon sind etwa 50 Prozent im besten arbeitsfähigen Alter zwischen 18 und 40 Jahren, wohingegen es aktuell nur etwa 15.000 ausländische Senior*innen gibt, die dauerhaft in Sachsen leben. Der Ausländeranteil an der Beschäftigung lag in Sachsen Ende 2023 bei acht Prozent, also leicht höher als der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung. Jedoch gelingt es noch schlechter als bei deutschen Kindern und Jugendlichen, den ausländischen Nachwuchs zu einem berufsqualifizierenden Schulabschluss zu bringen: Fast 23 Prozent der Kinder und Jugendlichen ohne deutschen Pass schafften 2021 keinen Hauptschulabschluss (Bertelsmannstiftung), deutschlandweit traf das „nur“ auf 13 Prozent zu.

Unter den Ausländern in Sachsen finden sich laut Wissenschaftsministerium auch etwa 17.000 Studierende. Erfahrungen zeigen jedoch, dass für viele Sachsen nur eine Durchgangsstation ist, weil anderswo besser bezahlte Jobs warten, sie sich in Sachsen nicht ausreichend wohlfühlen oder sie nach dem Studium in ihre Heimatländer zurückkehren. Offizielle Zahlen lassen sich dazu nicht finden.

Verstärkte Anstrengungen lassen sich im Bereich der Integration ausländischer Arbeitskräfte unternehmen. So waren beispielsweise im Dezember 2023 fast 12.000 Geflüchtete aus der Ukraine arbeitslos gemeldet, 16,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch insgesamt sei der Anteil von Ausländern an der Arbeitslosigkeit kontinuierlich gestiegen, laut Klaus-Peter Hansen, Chef der Arbeitsagentur im Freistaat, weil häufig „unmittelbare Voraussetzungen für die Beschäftigungsaufnahme“ – Sprachkenntnisse oder anerkannte Berufsabschlüsse – fehlten.

DIE ARBEITSLOSEN?

Fachkräftemangel und trotzdem steigende Arbeitslosenzahlen? Was deutschlandweit zu beobachten ist, gilt auch für den Freistaat. Ende 2023 waren etwa 132.000 Männer und Frauen in Sachsen arbeitslos gemeldet, eine Quote von 6,2 Prozent. Im Jahresdurchschnitt gab es 12.900 Betroffene mehr als 2022. Für 2024 wird ein weiterer Anstieg erwartet: Sachsen werde sich eher in Richtung „sieben Komma“ als in Richtung „fünf Komma“ bewegen, so Agenturchef Hansen zum Jahresanfang. Die Arbeitslosenquoten fallen in Südwestsachsen recht unterschiedlich aus – sind es im Erzgebirgskreis und in Mittelsachsen 5,0 Prozent, erreicht Chemnitz eine Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent – vermutlich weil viele Geflüchtete wegen des billigen Wohnraums auch nach der Erstaufnahme gern in Chemnitz blieben. Sachsenweit liegt der Ausländeranteil unter den Arbeitslosen bei 25 Prozent: Hier sind Ressourcen zu heben – siehe auch: „Die Ausländer?“. vtz

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