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Schlau hören. Warum Podcasts die Zukunft der Wissenschaft sein könnten.

von Lisa Kaden

Podcasts sind inzwischen überall. Nahezu jeder hört sie, egal ob beim Einkaufen, beim Putzen oder beim Autofahren. Auch inhaltlich decken die Podcasts dieser Welt alle erdenklichen Themen ab: Da gibt es Interview-Podcasts, Podcasts von A bis Z-Promis, True Crime Podcasts, Podcasts, in denen zwei Freunde sich eine Stunde lang über ihr Leben austauschen, politische Podcasts – diese Liste ließe sich unendlich fortführen.

Auch Forschende haben das Format längst für sich entdeckt und präsentieren dort spannende und zum Teil hochkomplexe Themen aus ihrem Forschungsalltag. Ein Vorreiter auf diesem Gebiet war der „TUCscicast“, das Podcast-Format der TU Chemnitz. Bei seinem Start 2018 war er der einzige laufende Gesprächs-Podcast einer deutschen Universität.

Ob autonomes Fahren, ...

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... der Umgang mit der Sonntagsfrage ...

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... oder Robotik – die Themen des TUCscicast sind so vielfältig wie die Forschung an der TU.

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Inzwischen präsentiert der „TUCscicast“ (ein Kofferwort aus TU Chemnitz, Science und Podcast) in mittlerweile fünf Staffeln und 51 Folgen regelmäßig die Forschung an der TU Chemnitz und spricht darüber hinaus über topaktuelle wissenschaftliche Themen wie Wahlen, neue Gesetze oder weltweite Ereignisse wie den Ukraine-Krieg. Neben Forschenden der Universität selbst werden immer wieder auch externe Expertinnen und Experten eingebunden. So entstehen am Ende etwa einstündige Folgen, die einen kurzweiligen und unterhaltsamen, aber gleichzeitig auch durchaus detaillierten Blick auf Themen werfen, über die früher so nur in Fachzeitschriften berichtet worden wäre oder zu denen man als Laie vielleicht gar keinen Zugang gehabt hätte. Damit sind Podcasts zu einem wertvollen Medium für Forschende, Studierende und wissenschaftlich Interessierte geworden. Und das so bequem und niedrigschwellig wie möglich.

Hinter der Idee zum Chemnitzer VorreiterPodcast steckt Andreas Bischof. Der 37-Jährige ist heute Leiter der Juniorprofessur „Soziologie mit Schwerpunkt Technik“ an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften der TU Chemnitz und war schon immer begeisterter Podcast-Hörer. Aus dieser eigenen Leidenschaft in Kombination mit seiner Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter heraus, geht er 2015 auf die Suche nach Podcasts von deutschen Universitäten, jedoch ohne Erfolg. Weil ihn die Idee nicht mehr loslässt, schreibt er einen Projektantrag und überzeugt damit erst die Pressestelle der Uni und dann auch das Rektorat.


EIN WISSENSCHAFTSPODCAST IST DIE IDEALE PLATTFORM FÜR FORSCHENDE.

Die erste Staffel erscheint im Wintersemester 2017/18 und ist damit der erste eigene, regelmäßig erscheinende Podcast einer deutschen Hochschule. Eigentlich kurios, findet auch Bischof: „Ein Wissenschaftspodcast ist die ideale Plattform für Forschende: Dort haben sie mehr Zeit, über ihre Themen zu sprechen, können einen Gedanken darlegen und entwickeln.“ Podcast-Hörerinnen und -Hörer bleiben erwiesenermaßen relativ lang dran, konsumieren auch Podcasts mit Folgen von einer oder zwei Stunden. Die Interaktion ist somit viel höher als bei üblichen Social-Media-Inhalten. Das perfekte Medium also, um in die Tiefe zu gehen, aber gleichzeitig, im Gegensatz zu einem handelsüblichen Fachartikel, unterhaltsam zu bleiben. Und: Menschen aus der Wissenschaft brennen für ihre Themen – und das hört man einem solchen Format auch an.


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Auch für eine Hochschule wie die TU Chemnitz birgt diese Plattform nur Vorteile: Bei einem kalkulierbaren Produktionsaufwand (die meisten Folgen werden nur noch virtuell aufgenommen) kann sie regelmäßig ihre große Bandbreite an Forschung präsentieren und zeigen, wie vielfältig und innovativ sie ist. Und das nicht nur dem Fachpublikum, sondern jedem Interessierten. Und der TUCscicast kommt gut an: Während zu Beginn nur etwa 3.000 Hörerinnen und Hörer pro Episode einschalteten, so stiegen die Zugriffe auf die Episoden der vierten Staffel zwischen Dezember 2021 und August 2022 auf fast 600.000 Abrufe insgesamt. Bis heute ist die Zahl konstant hoch, das Interesse ungebrochen. Das liegt zum einen wohl an der generellen Vorliebe der Menschen für Podcasts. Einer Umfrage aus 2023 zufolge hörten 2016 nur ungefähr 14 Prozent aller Menschen hin und wieder einen Podcast, 2023 sind das schon 43 Prozent. Ein Boom, der sicherlich ein Stück weit auch auf die Corona-Zeit und beispielsweise das Coronavirus-Update des NDR mit Wissenschaftler Christian Drosten zurückzuführen sein könnte. Dessen Folgen wurden laut eigenen Angaben bis zum 8. Mai 2020 über 41 Millionen Mal aufgerufen. Zum anderen passt das Format auch einfach zu gut in unsere Zeit: Wer einen Podcast hört, muss sich nicht so sehr konzentrieren wie beim Lesen und kann trotzdem in kurzer Zeit viel lernen. Es gibt Angebote und Themen im Überfluss, für jedes Spezialinteresse findet sich ziemlich sicher mindestens eine Folge oder gleich eine ganze Staffel. Es gibt Formate, die damit werben, in 10 Minuten am Tag höchst komplexe Fragen zu erklären. Ideal für eine Zeit, in der es gar nicht schnell genug gehen kann. Und genau das zeichnet vor allem das Genre der Wissenschaftspodcasts aus: „In einem Gespräch kann man auch komplexere Themen viel leichter erklären“, erläutert Andreas Bischof, der sich von berufswegen selbst regelmäßig mit Fachtexten auseinandersetzt. „Auch wenn man gerade nicht viel Zeit hat, kann man sich zumindest nebenbei noch eine Folge anhören.“ Das Format verbinde Unterhaltung mit Wissenschaft, sei absolut zeitgemäß und gerade auch im Kontext der Forschung genau das richtige Medium, findet Bischof. Das begeistert nicht nur Laien, die sich plötzlich Nischenwissen zu Sensortechnik, Mikrobiologie oder Robotik aneignen können. Auch für Kolleginnen und Kollegen oder Studierende ist dieses Format absolut wertvoll. Eine Professorin der TU Chemnitz, die selbst zu Gast im TUCscicast war, habe die Folge danach in ihre Vorlesung eingebaut. Und auch Bischof nutzt für die Lehre oder Forschungskonferenzen mit Vorliebe diese Möglichkeiten. Ob dieses Format irgendwann die in der Forschung bis dato eigentlich üblichen Publikationen in Journals und Fachzeitschriften ablösen wird? Andreas Bischof würde es sich wünschen.

„Ein Wissenschaftspodcast ist die ideale Plattform für Forschende. Dort haben sie mehr Zeit, über ihre Themen zu sprechen, können einen Gedanken darlegen und entwickeln.“

Andreas Bischof, Juniorprofessor Soziologie mit Schwerpunkt Technik an der TU Chemnitz

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DAS AKTUELLE WELTGESCHEHEN IMMER IM BLICK

Die Themen für die einzelnen PodcastFolgen des TUCscicast finden sich fast von selbst: In gemeinsamen Redaktionskonferenzen sprechen die Beteiligten rund um Bischof zu Beginn einer jeden neuen Staffel über aktuelle Themen, Forschungsprojekte an der Uni und die Netzwerke der Forschenden an der TU. „Wir suchen schon auch danach aus, was uns als Menschen, nicht nur als Uni-Angehörige interessiert. Dann hören wir uns um, wer an der Uni dazu forscht oder wer sowieso schon Lust hat, eine Folge zu gestalten“, so Bischof. Aber auch das aktuelle Weltgeschehen nimmt immer einen großen Einfluss auf die Themenauswahl. So nahm beispielsweise eine Folge des TUCscicast 2020 das Protestgeschehen in Deutschland unter die Lupe: Unter dem Titel „Corona-Spaziergänge: Zwischen legitimem Protest und radikalisierter Demokratie-Gefahr“ besprechen Dr. Piotr Kocyba, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Kultur- und Länderstudien Ostmitteleuropas der TU Chemnitz, und Dr. Alexander Leistner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig, die damals regelmäßig stattfindenden CoronaSpaziergänge, ordnen sie wissenschaftlich ein und sprechen auch über deren Einfluss auf die Demokratie. Eine Folge, auf die Bischof bis heute besonders stolz ist: „Wir haben sehr viel positives Feedback darauf bekommen. Uns haben Journalist* innen und Kolleg* innen angeschrieben, uns für die Folge gedankt und sie in ihre eigenen Recherchen mit einbezogen. Das ist natürlich eine großartige Auszeichnung für unser Format.“ Die nächste Staffel, die bereits in Planung ist, wird sich diesmal voraussichtlich in mehreren Folgen und aus verschiedenen Blickwinkeln den Landtagswahlen in Sachsen widmen.

Neben der Recherche und gut verständlich aufbereiteten Themen ist für einen Podcast natürlich auch das Hörerlebnis wichtig. In den letzten sieben Jahren seien, auch durch das immer weiter wachsende Angebot, auch die Ansprüche der Hörerinnen und Hörer gestiegen, weiß Bischof. Podcasts sollten gut produziert sein, ein angenehmes Klangerlebnis bieten. Beim TUCscicast sorgt dafür Podcastproduzenten.de, eine Schwester-Firma des Onlineradios Detektor.fm aus Leipzig, die den Podcast gemeinsam mit Andreas Bischof und und dem ehemaligen Crossmedia-Redakteur der TU-Pressestelle Matthias Fejes produzieren. „Dort hatten wir von Beginn an Profis an unserer Seite, die uns sehr unterstützt haben und von deren Kenntnissen wir profitieren konnten“, erinnert sich Bischof. Die Zusammenarbeit kam über Kontakte Bischofs zustande. Der damalige TUC-Student und Detektor-Mitarbeiter Pascal Anselmi etablierte das Format in den Staffeln redaktionell und später auch als Moderator.

„Natürlich denke ich auch immer wieder darüber nach, den Podcast noch stärker an die Uni anzubinden und die Produktion nach Chemnitz zu holen. Das liegt allerdings nicht in meiner Macht und bedarf auch Stellen an der TU“, so Bischof. Trotzdem ist er dankbar und glücklich darüber, wie gut seine Idee bis heute ankommt – bei den Hörerinnen und Hörern, aber auch an der TU Chemnitz selbst: „Dass wir jetzt schon die sechste Staffel produzieren, habe ich auch einem mutigen Rektorat zu verdanken“, sagt er. Die TU Chemnitz sei von Beginn an sehr offen gewesen für seine Idee und habe das Projekt von Anfang an unterstützt. Mittlerweile ist der Podcast fest in der Kommunikation der TU Chemnitz verankert und ist in der Wissenschaftskommunikation der Hochschule nicht mehr wegzudenken – ein Ende des Formats sei demnach, jedenfalls nach aktuellem Stand, nicht in Sicht.


WISSEN FÜR ZWISCHENDURCH

Auf dem sehr weiten Feld der Wissenspodcasts kann man sich eigentlich in jede beliebige Richtung weiterbilden: Zu komplexen chemischen oder physikalischen Zusammenhängen genauso wie zu Weltraum, technischen und wissenschaftlichen Innovationen oder Alltagswissen. Sich weiterzubilden ist so leicht wie noch nie – man muss nur das finden, was einen interessiert. Hier sind drei Empfehlungen der Chemnitz Inside-Redaktion:

Tipp Nr. 1

„AHA! ZEHN MINUTEN ALLTAGSWISSEN“

Dieser Podcast ist perfekt für alle, die sich nicht allzu lang auf umfangreiche Themen konzentrieren können oder wollen, sich aber trotzdem gern mit komplexeren Fragestellungen befassen. Jede Folge geht zehn bis maximal 20 Minuten und schafft es, in dieser Zeit einen guten Einblick zu geben in Themen aus allen möglichen Fachgebieten – von Legasthenie bis hin zur Frage, was Glückspiel mit unserem Gehirn macht.

Tipp Nr. 2

„EINE STUNDE HISTORY“

Einmal pro Woche werden in diesem Podcast von Deutschlandfunk Nova verschiedene geschichtliche Themen aus der ganzen Welt spannend und unterhaltsam aufbereitet – das Gegenteil von trockenem Unterricht. Übrigens: Bei Deutschlandfunk Nova gibt es auch noch eine Reihe anderer Podcasts zu unterschiedlichen Themen.

Tipp Nr. 3

„FAIRQUATSCHT“

Hier steht die Nachhaltigkeit im Fokus und wird aus allen möglichen Blickwinkeln betrachtet. In jeder Folge ist ein*e Gesprächspartner*in zu Gast und bespricht mit Moderatorin Marisa Becker ein spezielles Thema. Sie nimmt Fast Furniture unter die Lupe, diskutiert Atomkraft und die Nachhaltigkeit im Profi-Fußball.

Podcast-Tipp von Andreas Bischof:

„METHODISCH INKORREKT“

Ein Wissenschaftspodcast der beiden Physiker Nicolas Wöhrl und Reinhard Remfort. Die beiden berichten aus ihrem Alltag als Forscher und sprechen über aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Physik. Wöchentlich wird der „Schwurbler der Woche“ gekürt.

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